Norddeutsche Liedermacher

Plattdeutsche Lieder und mehr

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Folker!

Folker

86 Seiten, Paperback
Vier Ausgaben pro Jahr
Verlag fortes medien GmbH
ISSN 1435-9634

o Website des Folker

Beginnen wir mit der Zeitschrift der Liedermacherszene: Hervorgegangen aus dem westdeutschen Folk-Michel und dem ostdeutschen Folksblatt erschien seit 1998 sechsmal im Jahr der Folker – mal mit mehr Folk, mal mit mehr Weltmusik, sagt der Herausgeber, was immer der Unterschied auch sein mag. Mit Berichten, Interviews, Rezensionen und dem wohl umfangreichsten Terminkalender der Szene.

Nachdem dem Folker 2021 im Verlauf der Corona-Pandemie der Verlag abhanden gekommen war, ist für Dezember 2021 unter dem Dach des neuen Verlags der Neustart geplant. Sollten die erforderlichen mindestens 1.000 Abonennten zusammenkommen, werden die Hefte dann viermal im Jahr in ihren Briefkästen liegen.

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Musik aus Norddeutschland: Helmut Debus, Vullmaand & Morgenfloot

Helmut Debus

Vullmaand & Morgenfloot

CD, 1985/99
19 Titel, 78 Min.

„Bordbuch, 3. Mai:
Der Wind hat sich gedreht und der Hafen ist noch fern.
Aufkreuzen wäre jetzt zeit- und kräftezehrend.
Wir haben den Kurs neu gesteckt und steuern ein neues Ziel an.
Wi seilt mit de Morgenfloot.“

Vullmaand und Morgenfloot, zwei 1985 und 1988 auf Vinyl erschienene Alben, sind auf dieser CD vereint, veröffentlicht zum 50. Geburtstag des norddeutschen Songpoeten am 3. Mai 1999. Lieder zum Zuhören in plattdeutscher Sprache, dann und wann mit einer Anleihe bei irisch-schottischen Folksongs. Go To Sea No More, sangen vor 40 Jahren die Dubliner, doch Helmut Debus’ Adaption Nie mehr up’t Meer gefällt mir besser.

Lieder zum Zuhören in plattdeutscher Sprache, nur etwas für Nordlichter? Wenn man aufmerksam hinhört, die Texte im Begleitheft auch einmal mitliest, beginnen sie sich auch Zugereisten zu erschließen. Un so seilt wi mit de Morgenfloot ...

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Musik aus Nordfriesland: Helmut Debus, Moeven seilt up Wind

Helmut Debus

Möven seilt up Wind

CD, 1997
11 Titel, 52 Min.

„Möwen seilt up Wind, Hahn weckt de Sunn
Wulken up groote Fahrt, Newelmorgenstunn ...“

Damit beginnt eine weitere wunderschöne CD des norddeutschen Songpoeten. „Ich habe die Definition des Schönen gefunden, meinen Schönheitsbegriff. Etwas zugleich voller Trauer und voll verhaltener Glut, etwas schwebend Ungenaues, das der Vermutung Spielraum lässt“, ein Zitat aus den Tagebüchern von Charles Baudelaire, das Helmut Debus dem Album als Motto vorangestellt hat. Alle Liedtexte sind im Begleitheft

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Musik aus Nordfriesland: Dragseth Duo, Vertonte Gedichte von Theodor Storm

Dragseth Duo

Es ist ein Flüstern

Dragseth Duo singt Storm
CD, 1988, 12 Titel, 42 Min.

o Bezugsquelle: Atelier Knortz

„... und durch die Stille braust das Meer
eintönig um die Stadt.“

Es ist ein Flüstern ... doch man darf es lauter sagen, dass es diese CD gibt, die bereits 1988 aufgezeichnet wurde und zwölf vertonte Gedichte von Theodor Storm enthält, ‘frei von romantisierender Nostalgie aber auch jeglicher Deutschtümelei’, wie Thomas Rothschild in der Frankfurter Rundschau schrieb.

Das Dragseth Duo, das sind, verstärkt durch einige Freunde, Manuel Knortz und Kalle Johannsen mit ihren Stimmen und Gitarren, wobei Manuel Knortz (dessen Stimme mich an den jungen Hannes Wader erinnert) auch Bodhrán spielt.

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Musik aus Nordfriesland: Dragseth Duo, Lichtjahre

Dragseth Duo

Lichtjahre

CD, 1991
14 Titel, 53 Min.

Ik drööm vun een Eiland up See,
Dat drifft unnern Wind, wild un free.
Dar boo ik dat Huus ut Strohwark un Gröön –
Du büst bi mi, Leevst, dar köönt wi wään.

Mit diesem Lied, der Text stammt von Helmut Debus, schließt das Album Lichtjahre des nordfriesischen Dragseth Duos. ‘Please Close the Gate’ steht auf einem Schild an einem Tor, das im Begleitheft neben dem Text zu diesem Lied abgebildet ist, hinter dem Tor das Meer. Also schließen wir das Tor, doch erst, nachdem wir hindurchgegangen sind.

„Was ist die schön“, meinte ‘min Deern’, als ich die CD das erste Mal auflegte, „so etwas gibt es noch?“ Fünf plattdeutsche Lieder und neun hochdeutsche, aufgenommen 1991 in Husum.

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Musik aus Nordfriesland: Dragseth Duo, Hiimstoun

Dragseth Duo / Drones & Bellows

Hiimstoun

CD, 2004
15 Titel, 66 Min.

„Wenn im Herbst die Nächte rau sind
und die Friesen alle blau sind,
taucht der Schimmelreiter auf ...“

Recht respektlos geht auf dieser CD das Husumer Dragseth Duo im Verein mit den dänischen Drones + Bellows aus Tønder mit dem Schimmelreiter um und schicken ihn mit einem „Nun mach mal halblang, Schimmelreiter, / treib den Klapperesel weiter ...“ von dannen, um sich weiter ihrer Musik zu widmen.

Hiimstoun, das ist Friesisch und bedeutet auf Hochdeutsch Heimat. Mit Deutsch, Plattdeutsch, Friesisch, Sønderjysk und Dänisch spricht man im Marschland zwischen Deutschland und Dänemark fünf Sprachen, und aus diesem reichen kulturellen Erbe, schrieb Ulrich Joosten in der Zeitschrift Folker, ist es den Musikern gelungen eine Mischung zu schaffen, die in ihrer musikalischen Umsetzung schlicht umwerfend ist. Ein umfangreiches Booklet mit den Texten und Inhaltsangaben der Lieder liegt bei.

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Musik aus Nordfriesland: Plattdeutsch, Hochdeutsch

Dragseth Duo

The Promised Shore

CD, 2006
14 Titel, 54 Min.

„Eine Hommage an die anglo-amerikanische Folksong- Tradition, die unsere Generation weltweit geprägt und beeinflusst hat“,

... um einen Satz aus dem Vorwort im Begleitheft zu zitieren. Der Folk ist tot, es lebe der Folk. Dass man im dritten Jahrtausend noch Folkmusik machen kann, die selbst bei altbekannten Titeln nicht nach aufgewärmtem Tee schmeckt, beweist das nordfriesische Dragseth Duo mit seiner letzten CD The Promised Shore. 14 Lieder in englischer, plattdeutscher und hochdeutscher Sprache, die alle etwas Neues bringen. Oder haben Sie schon einmal Dat du mien Leevste büst eingeleitet durch einen irischen Dudelsack gehört? Es passt! Auch zu dieser CD gibt es ein exzellentes, mit Bildern von Manuel Knortz illustriertes Booklet.

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Musik aus Nordfriesland: Plattdeutsch, Hochdeutsch und Englisch

Dragseth

Stää un Stünn

CD, 2011
11 Titel, 44 Min.

„Dat het de witte Vagel dahn,
De seilde so stolt un free –
Nu hör ik jümmer, bi Sünn und Maan
De Bulgen öbver den Ewer slan,
Un bün doch wied van ’ne See.“

„Das hat der weiße Vogel getan, der so stolz und frei segelte. Nu höre ich immer, bei Sonne und Mond, die Wellen über den Ewer schlagen und bin doch weit fort von der See“, und mit diesem weißen Vogel – aber nicht weit fort von der See – melden sich die Dragseths vom Duo zum Quartett geworden mit einer rein plattdeutschen CD zurück: elf Lieder in plattdeutscher Sprache, traditionelle, selbst geschriebene und aus der irisch-englisch-amerikanischen Folkszene ins Plattdeutsche übertragene.

„Nun bün ik lang all groot und mien Boort ward gries …“, nun bin ich schon lange ganz groß und mein Bart ist grau geworden, singt Kalle Johannsen zum Schluss in seinem Nachtleed, geschrieben kurz vor deren Tod für seine Mutter. Und dass die Zeit auch für die Dragseths nicht stehen bleibt, sieht man, wenn man die Fotos aus dem Booklet mit denen aus dem Begleitheft von Lichtjahre vergleicht. Doch ihre Musik bleibt zeitlos: Folk vom Feinsten.

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Musik aus Nordfriesland: Plattdeutsch, Hochdeutsch

Dragseth Trio

Drift

CD, 2017
12 Titel, 45 Min.

Das Jahr vergeht in Monatsraten,
Es ist schon wieder fast vorbei.
Das was man tut, sind selten Taten,
Das, was man tut, ist Tuerei.

Dragseth, das sind auf dieser CD Manuel Knortz, Kalle Johannsen und Jens Jesse. „Als Jens zu uns stieß“, erzählte das Dragseth-Urgestein Manuel Knortz beim Biike-Konzert des Jahres 2018 im Herrenhaus Hoyerswort, „musste er erst einmal lernen, wie man traurige Lieder singt und spielt.“ Dieses Album ist wohl das bislang melancholischste der Dragseths, ein Rückblick auf längst vergangene Tage, so als wollten sie sich, was wir nun mal nicht hoffen, langsam von uns verabschieden. Wozu auch das Coverfoto auf dem Beiheft beiträgt, ein wenig an ein Grabmal erinnernd.

Neben eigenen Texten finden sich auf der CD vertonte Gedichte von – siehe die obigen einleitenden Zeilen – Erich Kästner, Gottfried Keller, Klaus Groth und Nachdichtungen von William Butler Yeats, Jacques Brel und Kate Wolf. Sie endet mit einem von Jens Jesse vertonten Gedicht der 1975 verstorbenen Lyrikerin Mascha Kaléko: Geht die Abendsonne schlafen, / Kommt der Sternanzündemann. / Und der steckt die vielen Sterne / Hoch am dunklen Himmel an.

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Bücher aus Nordfriesland: Theodor Storm / H.P. Boegel, Der Schimmelreiter

Dragseth / Storm / Bögel

Der Schimmelreiter

Gelesen von Hans-Peter Bögel
Musikalisch begleitet von Dragseth
Zwei CDs, Spieldauer 144 Minuten, 2017
Atelier Knortz, Witzwort

Im Spätherbst 1987, schreibt Kalle Johannsen in der Einleitung zu diesem Album, hatte das Dragseth Duo (Manuel Knortz & Kalle Johannsen) in der Nordstrander Tee Stuuv seine damals frisch vertonten Storm-Gedichte vorgetragen und dabei den Schauspieler und Rezitator Hans-Peter Bögel kennen gelernt.

Dreißig Jahre später entstand anlässlich des 200. Geburtstages von Theodor Storm dieses gemeinsame Album: Storms Novelle vom Schimmelreiter, ein wenig gerafft mit der Musik von Dragseth, eingeblendet aus unterschiedlichen Alben der letzten dreißig Jahre und dabei so stimmig, als sei sie für dieses verfasst worden. Es endet mit dem Lied von Storms ‘grauer Stadt am grauen Meer’, doch vielleicht, ging mir durch den Kopf, hätte man zum Schluss noch als ironisch-liebevollen Kontrapunkt das Lied vom Schimmelreiter aus ihrem oben vorgestellten Album Hiimstoun draufsetzen sollen: Wenn im Herbst die Nächte rau sind, und die Friesen alle blau sind, taucht der Schimmelreiter auf …

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Musik aus Nordfriesland: Plattdeutsch, Hochdeutsch und Englisch

Grenzgänger

Die Schiffe nach Amerika

CD, 1995
17 Titel, 64 Min.

Halleluja! Halleluja!
Wir wandern nach Amerika.
Was nehmen wir mit ins neue Vaterland?
So allerlei, so allerhand: ...

beginnt das Lied vom ‘deutschen Nationalreichtum’, und dann wird aufgezählt, was alles mitgenommen wird: bunte Wappen, Polizeiknüppel, Bedientenröcke, Trau-, Tauf- und Totenscheine. “Weil es in der Neuen Welt, sonst dem Deutschen nicht gefällt”, wie es in dem Lied dann weiterheißt.

Siebzehn Lieder über die Auswanderung, die Hoffnungen, die damit verbunden waren, und das Leben in der Neuen Welt haben die Grenzgänger Michael Zachcial und Jörg Fröse auf dieser CD zusammengetragen. Sie erhielt den Deutschen Folk-Förderpreis 1995 und einen Preis der Deutschen Schallplattenkritik. Im informativen Begleitheft finden sich alle Texte, Quellenangaben sowie Hintergrundinformationen.

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Musik aus Norddeutschland: Otto Groote singt plattdeutsch

Otto Groote

In’t blaue Lücht von d’ Nörden

CD, Dezember 2005
16 Titel, 47 Min.

Ik bün tohuus in’t blaue Lücht
van d’ Nörden
Blot hier föhl ik mi freei.

... singt Otto Groote auf dieser CD mit eigenen, traditionellen und aus dem Englischen ins Plattdeutsche übertragenen Liedern. Und wenn sich die ‘Shoals of Herrings’ zu einem ‘Swarm van Herrings’ wandeln, aus ‘Fiddler’s Green’ das ‘Vigelinland’ wird und die rote Rose nicht mehr ‘in yonder garden grows’ sondern ‘in d’ Gaam klievert’, stellt man wieder einmal fest, dass plattdeutsche Texte wunderbar zu Melodien aus der anglo-irischen Folkszene passen.

Es waren zunächst die aus dem Englischen bekannten Lieder, darunter das ‘trurigst Leed vun den Wal’, der demnächst abgeschlachtet wird, die mich hinhorchen ließen, ehe ich merkte, dass die eigenen Texte und Melodien des Bremer Liedermachers nicht hinter sie zurücktreten müssen. Unterstützt durch einige Freunde wurde die CD ohne vervolkstümlichendes Gedudel eingespielt. Doch überzeugen Sie sich selbst anhand der Kostproben auf seiner Internetseite. Dort finden Sie auch einige der Liedtexte (komplett stehen sie im Begleitheft) und eine eMail-Adresse, über die Sie Kontakt aufnehmen und die CD bestellen können.

Otto Grootes ‘blaue Lücht von d’ Nörden’ ist meine CD des Jahres. Was soll man ihm nach diesem Debüt wünschen? Ein Vers aus seinem Lied ‘Bliev immer jung’: Beholl dien Ogen alltied open, / söök na Wahrheid in de Welt. / Denn blot so kannst du verhinnern, / dat, dat Legen eenzig tellt.

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Musik aus Norddeutschland: Otto Groote singt plattdeutsch

Otto Groote Ensemble

De Tied steiht still

CD, Dezember 2007
12 Titel, 40 Min.

Holl fast dien Leevde;
holl fast dien Drööm,

‘halt fest deine Liebste, halt fest deinen Traum’, singt Otto Groote im Titelsongs seines neuen Albums De Tied steiht still. Und wer von uns möchte nicht manchmal, dass die Zeit innehält oder etwas langsamer verstreicht?

Doch sind bereits zwei Jahre seit dem Erscheinen von Otto Grootes erstem Album In’t blaue Lücht von d’ Nörden verstrichen, so dass er nun, diesmal im Ensemble mit Matthias Malcher und Ralf Strotmann, seine neue CD vorstellt, in seiner plattdeutschen Muttersprache und bester Folktradition. Seine unverwechselbare Stimme und die Inhalte der eher leisen Lieder stehen im Vordergrund, eigene sowie ins Plattdeutsche übersetzte Klassiker der Folk- und Liedermacherszene. Zu den letzteren gehört (in meiner momentanen Nachbarschaft verlagert gerade Nokia die Produktion nach Rumänien) das immer wieder aktuelle Lied von De groote Fabrik, bekannt auch als Aragon Mill oder Belfast Mill: die Fabrik wird abgebaut, es gibt keine Kinder mehr auf den Straßen, es ist zu still um zu schlafen.

Bei Ottos erster CD war es das Lied von den Iesmeerwellen, eingetaucht in das ‘blaue Lücht van d’Nörden’, das sich mir am stärksten eingeprägt hat. Und bei dieser? Ich brauche noch eine Weile, treiben wir die Tied nicht zu sehr an. Dat Blockhuus gehört nach dem ersten Reinhören zu meinen Favoriten, dann Över dat gröne Land, auch die Swatten Löwen. Und was ist mit ... ? Ich werde mir De Tied steiht still noch einmal anhören.

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Musik aus Norddeutschland: Otto Groote singt plattdeutsch

Otto Groote Ensemble

De anner Steerns an d’Heven

CD, September 2009
14 Titel, 53 Min.

Daar gifft dat anner Steerns an d’Heven,
De Maan, de maakt en anner Bild.

Da gibt es andere Stern’ am Himmel,
Der Mond, der macht ein and’res Bild.

‘De Tied steiht still’ hieß Otto Grootes zweite CD aus dem Jahr 2007, doch ist sie nicht stehen geblieben, so dass er und sein Ensemble nun ‘en anner Steern an d’Heven’ der friesisch-plattdeutschen Folkmusik vorlegen. Wie bei ihren Vorläufern gibt es dazu ein informatives Booklet zum Nach- und Mitlesen der plattdeutschen Texte.

Mein Lieblingstitel? Es ist wohl De eensaam Fisker, ein Lied zum 500sten Jahrestag der Damianflut, die am 26. September 1509 die norddeutsche Küste verwüstete. Ein kleiner Kritikpunkt: Das Album endet mit einer Neuaufnahme seines Liedes Iesmeerwellen von seiner ersten CD. Eine Studioaufnahme nach Jahren im Studio neu einzuspielen, ist ein ‘gefährliches Unterfangen’, denn die Kenner der ‘Originalaufnahme’ werden vergleichen – und meist zum Schluss kommen, dass ihnen die ursprüngliche Fassung besser gefällt. Und so erging es auch mir.

Ein Wunsch für die nächste CD: Die Liveaufnahme eines Konzerts mit Otto und seinen Freunden. Und sollte das Konzert etwas länger dauern, darf es auch eine Doppel-CD sein.

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Musik aus Norddeutschland: Noordlandwind

Otto Groote Ensemble

Noordlandwind

CD, Oktober 2015
13 Titel, 53 Min.

Dat Land vull Smacht, Land vull Pien
dat ward seker nooit mehr dien!
Man dat blifft dien Eiland alltied in dien Hart.

endet der Refrain von Land vull Hoop, Land vull Tran’n. Ich weiß nicht, wie oft wir Isle of Hope, Isle of Tears in unserem Stammpub an der irischen Westküste schon gehört haben, „For Hildegard and Jurgen“, kündigen es die beiden Musiker stets an, nachdem min Deern es vor vielen, vielen Jahren einmal ‘requestet’ hatte. Und was sagte min Deern gestern beim ersten Hören zu dieser plattdeutschen Fassung? Eigentlich, meinte sie, gefällt mir das Plattdeutsche noch viel besser.

„Mit Noordlandwind veröffentlichen wir erstmals eine CD mit einem Schwerpunktthema, bei dem es um das Verlassen einer alten Welt geht. Wir würden uns freuen, wenn diese CD oder wenigstens einige der Lieder für Mitgefühl und Verständnis werben könnten für die Nöte der vielen Flüchtlinge in der Welt. Schließlich ist es nicht lange her, da sahen zahllose Europäer den einzigen Ausweg für sich und ihre Lieben in der Auswanderung“, schreiben die drei Musiker in dem Vorwort des Booklets zu ihrer CD, das wie schon bei den früheren Veröffentlichungen sämtliche Liedtexte enthält.“

Noordlandwind ist Otto Grootes vierte CD mit Liedern in ausschließlich plattdeutscher Sprache, mit Texten zum Nachdenken, sparsam instrumentiert im klassischen Folkstil – es ist schön, dass es heute noch so etwas gibt. Wobei Dat Leed van Esterwegen, Otto Grootes Reverenz an das bekannte Lied von den Moorsoldaten aus dem KZ von Esterwegen, zu den weiteren Highlights gehört. Doch ein ganz klein wenig Kritik kann ich mir nicht verkneifen, darin begründet, dass es sich bei zwei der Titel um Neueinspielungen von Liedern aus den früheren drei CDs handelt. Und wenn man nun alle vier CDs besitzt und im Wechsel hört, und neigt man irgendwann einmal dazu, über die Wiederholungen ’hinwegzuzappen’.

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Musik aus Norddeutschland: Mungard

Christoph Hansen, Kalle
& Martje Johannsen

Mungard

CD, 2021
13 Titel, 45 Min.

Wust ik, hur min Haawen wiar,
Hol wil’k me di Storem keempi,
Wust ik , hur ik finj min Stair,
Wil’k dit Leengen ön mi deempi.

Wüsste ich, wo mein Hafen wäre, / Gern wollte ich mit dem Sturm kämpfen, / Wüsste ich, wo ich meine Heimstatt finde, / Wollte ich dieses Verlangen in mir dämpfen — so der Versuch einer halbwegs wörtlichen Übersetzung der Eingangszeilen des ersten Liedes auf der CD.

Im Jahr 2004 veröffentlichte das Husumer Dragseth Duo (Manuel Knortz und Kalle Johannsen) mit der dänischen Gruppe Drones und Bellows das Album Hiimstoun, darauf das von Johannsen vertonte Gedicht Ströntistel des 1940 im Konzentrationslager Sachsenhausen ums Leben gekommenen Dichters Jens Emil Mungard. Fast zwanzig Jahre später erscheint jetzt ein Album mit 13 weiteren Gedichten von Mungard in friesischer Sprache, vertont und produziert von Christoph Hansen und gesungen von Kalle Johannsen und seiner Tochter Martje, Lieder mit melancholisch-poetischen Landschaftsbeschreibungen und Reflektionen über das Leben bis zu Gedanken aus dem Konzentrationslager und zur Leest Rais, der letzten Reise.

Heute sind nur noch wenige Menschen der friesischen Sprache mächtig; so kann man die im beiliegenden Booklet neben Mungards Zeilen gedruckten hochdeutschen und gleichermaßen poetischen Nachdichtungen von Ingo Laabs und Karl Schmidt-Rodenäs, die schon beim ‘Vorablesen’ berühren und nahegehen, gar nicht genug würdigen. Verfolgt man die gedruckten Texte beim Hören, stellt man überrascht fest, dass das Friesische gar nicht mehr so fremd und unverständlich klingt: beindruckende Gedichte, kongenial vertont und toll vorgetragen.

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Musik aus Norddeutschland: Ströntistel

Kalle Johannsen

Ströntistel

CD, Dezember 2018
14 Titel, 54 Min.

Ströntistel es min bloom,
Ströntistel neem's uk mi.
Jü gröört üp dünemsön,
Ik üp des leewents-strön,
En proter haa wat biid.

Stranddistel ist meine Blume, / Stranddistel nennen sie auch mich. / Sie wächst auf Dünensand, / Ich auf diesem Lebens-Strand, / Und Stacheln haben wir beide, so die Übersetzung aus dem Friesischen. Das Gedicht des 1940 im Konzentrationslager Sachsenhausen ums Leben gekommenen Dichters Emil Mungard hatte Kalle Johannsen schon im Jahr 2004 für das Album Hiimstoun vertont und gibt nun seiner ersten Solo-CD den Namen. „Johannsen geht es in seinen Liedern um Menschen, die sich abseits des Mainstreams bewegen […], erzählt von Zivilcourage und Selbstreflektion, aber auch von Ausgrenzung, Migration und Vertreibung. So greift das anrührende Lied ‘Mein Name ist Hosanna’ die wahre Geschichte eines Kindes auf, das übers Mittelmeer bis nach Friesland flüchtete“, schreibt Ulrich Joosten in einer Rezension für die Zeitschrift Folker.

2018 legte der Mitbegründer Dragseth Duos eine Pause ein und produzierte dieses Album mit 14 Liedern in plattdeutscher und hochdeutscher Sprache, von denen es sich bis auf Ströntistel und Wenn du weinst, das mit leicht abgewandelter Schlusszeile schon im Album Drift zu hören war, um Erstveröffentlichungen handelt. Es schließt mit Der Holzhackerkönig — womit wir nun wissen, was, nachdem er mehr als vier Jahrzehnte untergetaucht war, aus Hannes Waders Tankerkönig wurde und wie dieser (wie es scheint, nach einer Tätigkeit beim Zoll) im Ruhestand seine Langeweile überwunden und den wahren Sinn des Lebens gefunden hatte.

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Musik aus Nordfriesland: Kalüün

Kalüün

Spöören

CD, 2014
11 Titel, 38 Min.

Komm, lei en sküür deel bi min sidj,
Tufaalsflenerk, tufaalsflenerk

Komm, lege dich eine Weile an meine Seite,
Zufallsschmetterling, Zufallsschmetterling

Spöören – das ist Föhrer Friesisch und bedeutet Spuren, Spuren längst vergangener Zeiten, Spuren von Menschenschicksalen und Melodien. Sie begegnen uns allgegenwärtig, sagte die Sängerin und Fiddle-Spielerin der Gruppe Keike Faltings, einige sind im Laufe der Jahrhunderte verweht, andere vergessen, manche tief eingeprägt im Boden einer ganz eigenen inselnordfriesischen Lebensauffassung. Auf diese Spuren begeben sich zusammen mit einigen Freunden Keike Faltings, Jan Faltings und Dennis Werner mit elf Musikstücken und Liedern in friesischer Sprache.

Spöören ist das erstes Album des Trios, mit dem sie sich prompt den begehrten Preis der deutschen Schallplattenkritik eingeheimst haben. Zu allen Texten findet sich im Begleitheft eine hochdeutsche Übersetzung.

… und wenn sich die Gruppe für das letzte der elf Lieder nicht eine Melodie ausgesucht hätte, bei der der geneigte Zuhörer zwangsläufig an “hohe Tannen und ein von Rüberzahl gehütetes Lager in weiter Ferne” denkt, würde ich den CD-Spieler nicht immer rasch abschalten, sobald der letzte Titel des Albums startet.

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Musik aus Nordfriesland: Knut Kiesewetter auf Plattdeutsch und Friesisch

Knut Kiesewetter

Leeder vun mien Freesenhof

LP/CD, 1976 / 2000
13 Titel, 41 Min.

Dor steiht een Haubarg op en Warft,
De steiht dor woll veel hunnert Johr, ...

... beginne ich unwillkürlich zu summen, wenn ich über die Halbinsel Eiderstedt fahre. Knut Kiesewetters Leeder vun mien Fresenhof, denen das Lied entnommen ist, erschienen vor nunmehr 30 Jahren auf Schallplatte und sind mittlerweile auf einer silbernen Scheibe erhältlich. Das Cover wurde übernommen – heute hätte sich der Sänger wohl kaum so ablichten lassen.

Die CD enthält sieben Lieder in plattdeutscher und sechs in friesischer Sprache, Songs über traditionelle Sitten (Rummelputt) und originelle Typen (De Buer un de Knech), dazu Protest gegen Umweltzerstörung und eine Hommage an das Land. Inzwischen habe er es nicht mehr mit Protestliedern, meinte der Liedermacher vor einiger Zeit in einer Fernsehrunde, es bringe ja doch nichts. Unverkennbar ist auch die Verwandtschaft des Friesland-Folks jener Jahre mit dem irischen – wer denkt bei Pay nicht gleich an ‘Whiskey in the Jar’? Leider fehlt ein Booklet mit den Texten und Erläuterungen zu den Liedern.

Nachtrag: Knut Kiesewetter starb am 28. Dezember 2016 in Garding. Im Jahr nach seinem Tod erschien eine Neuausgabe der CD mit einem Beiheft, das die Texte aller Lieder sowie ihre Übersetzung ins Hochdeutsche enthält.

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Musik aus Nordfriesland: Liederjan, Plattdeutsche Lieder

Liederjan

He, ik mach di

LP/CD, 1982 / 2001
12 Titel, 40 Min.

„He, – ik mach di,
mach wie du di dreihst
un övermödig geihst.
He, – ik mach di
so wie du büst.“

Zwölf plattdeutsche Lieder, aufgenommen im Februar 1982, die Texte von Rainer Prüss, nach Gedichten von Klaus Groth oder traditionell überliefert. So wie das wohl bekannteste plattdeutsche Antikriegslied, die Geschichte von Hans Vagelnest, einem Bauernjungen, der die große, weite Welt sehen will, sich von Werbern in den Krieg mit den Franzosen locken lässt und als den Krieg verfluchender Invalide aus ihm zurückkehrt. Weiter geht es mit Liebes- und Abschiedsliedern, Alltagsgeschichten, dem Schicksal einer Süperin (Säuferin) bis zur satirisch-bissigen Betrachtung der Umweltverschmutzung im Wattenmeer.

Im gut gemachten Begleitheft findet man alle Texte, dazu die Erläuterung des einen oder anderen plattdeutschen Wortes und eine kurze Einführung zu jedem Lied.

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Musik aus Nordfriesland: Hannes Wader, Plattdeutsche Lieder von Klaus Groth u.a.

Hannes Wader

Plattdeutsche Lieder

LP/CD, 1974 / 2000
14 Titel, 39 Min.

Dar achter de Weid
wit över de Heid
da schimmert ann Himmel een Mööl.

Wie sich ein solcher Immobilienbesitz mit dem Inhalt seiner Lieder vereinbaren lasse, wurde Hannes Wader gefragt, als er 1973 eine alte Windmühle in Nordfriesland erwarb, die er anschließend ein Vierteljahrhundert lang bewohnte. “Gar nicht”, lautete seine lakonische Antwort.

Das stimmt nicht ganz, wenn man das 1974 entstandene Album Plattdeutsche Lieder hört, das als CD auch nach mehr als 30 Jahren noch erhältlich ist. Die Texte von sieben der 14 Lieder stammen von Klaus Groth, die übrigen sind traditionell überliefert. Bei den Melodien sind Anleihen aus der anglo-irischen Folkszene unverkennbar, wobei Hannes das besondere Verdienst gebührt, Groths Min Jehann, eine Erinnerung des Dichters an seine Kindheit mit seinem Bruder Jehann, von Ernst Lichts grauenhafter Vertonung befreit und mit einer neuen Melodie auch gesungen hörbar gemacht zu haben. Zu der CD gehört ein Begleitheft, in dem alle Texte abgedruckt sind.

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Musik aus Nordfriesland: Hannes Wader, Shanties

Hannes Wader

Hannes Wader singt Shanties

LP/CD, 1978 / 2009
12 Titel, 37 Min.

... de hele Seefahrt, de is bescheten,
tooerst de Klipper Magelhan.

Rollin’ home, rollin’ home,
rollin’ home across the sea ...

Ein Warnung vorweg: Fans von Shanty-Chören werden sich mit den zu eingängigen Melodien in plattdeutscher Sprache gesungen, oft bissig schwarzhumorigen Texten nicht in jedem Fall anfreuen können. Da gibt es ein Lied über einen Tanker, der auf Grund läuft, derweil die Fischer sich freuen, nun Sardinen in Öl fangen zu können, ein anderes über den Kapitän Hein Flott, der seinen atomgetriebenen Seelenverkäufer immer lustig mit Uranstangen nachgeheizt, bis er auf einen Eisberg aufläuft und sich in Kernenergie verwandelt – eine Parabel auch auf die Zukunft einer Menschheit, die auf Kernenergie setzt. Und natürlich darf auch ‘Rolling Home’ nicht fehlen, ein Lied über die ausbeuterische Arbeit auf dem Klipper Magelhan, das mit dem Resümee endet, dass die ganze Seefahrt letztlich beschissen ist.

Es sind gesungene Geschichten, die mit allen Meerwassern gewaschen sind. Nur das Shenandoah als letztes Stück auf der CD hätte sich Hannes dann vielleicht doch sparen können, ‘rein Englisches’ liegt ihm, glaube ich, nicht.

Die sparsam von Gitarre, Akkordeon und Mundharmonika begleiteten Aufnahmen wurden 1978 als Langspielplatte veröffentlicht. Sie galten lange Zeit als Rarität und sind jetzt nach über 30 Jahren ohne an Aktualität verloren zu haben endlich wieder auf CD erhältlich.

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