Eine Kutschfahrt durchs Watt

von Volker Schmidt

 

Mit einer Kutsche durchs Meer?

Wer auf eine Hallig will, denkt erst einmal an ein Schiff. Das stimmt zwar in den meisten Fällen, nur eben bei der Hallig Südfall nicht. Hier müssen die Besucher ein für eine solche Fahrt ganz und gar ungewöhnliches Beförderungsmittel nutzen – eine Kutsche. Der Ausgangspunkt für die Tour durch das Watt ist die Badestelle Fuhlehörn auf Nordstrand, der Weg dorthin ab dem Hafenparkplatz Strucklahnungshörn ausgeschildert. Ab Fuhlehörn fahren bis auf einige Ausnahmen von Mai bis September täglich drei Kutschen gleichzeitig zur Hallig Südfall. Da nur 48 Personen mitfahren können, ist eine telefonische Voranmeldung unbedingt zu empfehlen. Selbst dann schadet es nicht, schon 30 Minuten vor der Abfahrt vor Ort zu sein, denn so kann man sich die besten Plätze auf den Kutschen aussuchen. Eigentlich sind diese Kutschen ausrangierte Anhänger aus der Landwirtschaft, wobei der Fahrer auf einem alten Bürostuhl sitzt, der seiner Räder beraubt fest am Boden angeschraubt ist. Das Ganze nennt sich dann Wattkarren. Auf die Karren kommt man bequem über eine klappbare Treppe, für den Antrieb sorgen je zwei Norwegerponies.

Nachdem alle einen Platz gefunden haben, geht es auch schon los und über den Deich hinunter ins Watt. Damit sich der Kutscher nicht verirrt, ist der Weg mit Holzstäben markiert. Natürlich kann man auch nach Südfall laufen, doch ohne Anmeldung darf man nicht auf die als Naturzschutzzone 1 ausgewiesene Hallig und außerdem ist es ganz schön weit. So gesehen ist die Fahrt mit dem Wattkarren nicht nur die schönste, sondern auch die einfachste Lösung. Sie dauert ungefähr eine Stunde und ist ein tolles Erlebnis.

Auf dem Wattkarren, © 2007 Volker SchmidtDer Karren rumpelt durchs Watt, alles ist topfeben, und in der Ferne grüßt die immer größer werdende Silhouette von Südfall. Man fährt durch flache Priele und an Muschelbänken vorbei und bekommt auf diese Weise einen Eindruck davon, wie das Watt wirklich ist. Wer kommt schon zu Fuß so weit hinaus? Obwohl den Passagieren meist ein frischer Seewind um die Nase weht, sollten sie den Sonnenschutz nicht vergessen. Was auffällt, ist die Ruhe. Jenseits der Fahrgeräusche der Karren und Unterhaltungen der Mitfahrer herrscht Stille. Die Weite des Watts ist einfach beeindruckend! Während der ganzen Fahrt ist auf der rechten Seite Pellworm zu sehen.

Auf Südfall

Warft auf Südfall, © 2007 Volker Schmidt
Glückliche Schafe, © 2007 Volker Schmidt
Salzwiesen auf Südfall, © 2007 Volker Schmidt

Am Ziel angekommen, rumpeln die Karren auf einen holprigen Deich. Der führt ein Stück am Rand der Hallig entlang, vorbei an weiten Salzwiesen. Dabei schaukelt es wie auf hoher See. Dann biegt der Weg nach links ab und endet vor der einzigen Warft. Zur Begrüßung wartet schon die Frau des Halligwartes auf die mittlerweile arg durchgeschüttelten Besucher. Anschließend hat man 45 bis 50 Minuten Zeit, sich rund um die Warft umzusehen. Bei klarem Wetter sind außer der Nachbarinsel Pellworm auch Süderoog, Nordstrand und in der Ferne der Leuchtturm von Westerhever zu sehen. Wer eine Runde um die Warft dreht, findet Tafeln, die alles erklären.

Auf der Warft sind außer den Besuchern noch einige wollige Gesellen unterwegs, die es sich gut gehen lassen. Man sieht es den Schafen an, dass sie sich auf der Hallig – mit Verlaub – sauwohl fühlen. Von dieser bekommt man jedoch nicht viel zu sehen. Bis auf den eingezäunten Bereich um die Warft ist alles Naturschutzzone 1 und das Betreten verboten. Bei der Fahrt zur Warft kann sich allerdings einen Überblick verschaffen und stellt fest, dass die mit saftigen Salzwiesen bewachsene Hallig mit nur zirka 50.000 m³ nicht sehr groß ist. Hier würde man selbst gerne einmal Schaf sein – doch halt, in der Schutz-Zone 1 dürfen ja auch keine Schafe weiden!

Von der Warft aus ist es möglich, zur Anlegestelle auf der Westseite von Südfall zu laufen. Wer die Entwässerungsgräben überwunden hat, dem bietet sich ein toller Ausblick auf das vorgelagerte Watt.

Ruge Wind, wilde Wellen, se wöhn di wat vertellen
Vun’t versunkene Land an de Waterkant.
Mak di vun dien Gedanken frie, set di op de Diek mit mi
Un du kannst se hörn: Rungholts Glockentürm ...

Anlegestelle von Südfall, © 2007 Volker Schmidtheißt es in einem plattdeutschen Lied der Gruppe Tinkeltuten. Die Gegend hier birgt in der Tat Geheimnisse. Angeblich soll nördlich der Hallig Südfall die sagenhafte Stadt Rungholt gelegen haben. Man sagt, sie sei reich und mächtig gewesen. Im Jahr 1362 brach dann das Unheil über die Stadt herein. Bei dieser ersten Mandränke ist Rungholt der Sage nach im Meer versunken. Ob die Stadt nun wirklich existiert hat, darüber streiten sich die Geister, denn es gibt nicht viele Hinweise auf ihre Existenz. Was man mit Sicherheit sagen kann, ist, dass der heutige Wattboden in vergangenen Zeiten besiedeltes Land war, die sogenannten Uthlande. Zwar wurden deutliche Spuren dieser Zeit im Watt gefunden, doch fehlt immer noch ein Fund, der die Existenz von Rungholt beweist. Ob irgendwann einmal jemand den fehlenden Beweis erbringt, ist fraglich. Geblieben von ihr ist das Gedicht Trutz, Blanke Hans und die gleichnamige Fähre der WDR (Wyker Dampfschiffs-Reederei).

Das Leben auf der Warft

ELeben auf der Warft, © 2007 Volker Schmidts lohnt ich, schon zirka 20 Minuten vor der Abfahrt wieder auf der Warft zu sein und der Frau des Halligwartes zu lauschen, die von ihrem Leben auf Südfall erzählt. Dabei geht es um für uns so selbstverständliche Dinge wie Wasser, Strom, Heizung und Telefon, die hier ganz und gar nicht selbstverständlich sind. Das Einzige, was vom Festland, kommt ist das Wasser. Gekühlt, geheizt und gekocht wird mit Gas. Der Strom wird von einer zu kleinen Solaranlage erzeugt und dient hauptsächlich zur Beleuchtung. Und warum schaut man auf Südfall keine Krimis? Ganz einfach, die Batterien sind immer schon leer, bevor der Kommissar den Mörder erwischt. So macht ein Krimi keinen Spaß.

Dann erzählt die Frau vom Halligleben, von nassen Füßen, wenn die Nordsee einmal zu Besuch kommt, und dass sie selbst nur an den Sommer-Wochenenden hier ist. Dazu kommt sie hoch zu Ross auf ihrem Pferd durch das Watt geritten. Aber auch ihre Kinder verbringen und genießen ihre Ferien hier auf der Hallig.

Neben all den schönen Seiten ist das Leben auf einer Hallig nicht ganz ungefährlich. Deshalb hat jedes Haus im ersten Stock einen sogenannten Schutzraum, der auf Betonpfählen ruht, die tief so verankert sind, dass der Raum selbst dann noch steht, wenn das Haus schon zusammengefallen ist. Bei allem merkt man der Frau an, dass sie gerne hier lebt. Wenn noch Zeit ist, beantwortet sie gerne die Fragen der Besucher, doch im Hintergrund drängen meist schon die Kutscher zum Aufbruch. Man glaubt gar nicht, wie schnell eine knappe Stunde vergeht. Und da gibt es doch wirklich Besucher, die die knappe Zeit mit Kaffe trinken und Würstchen essen vertrödeln! Mit den Wattkarren geht es anschließend durch das Watt zurück nach Fuhlehörn.

Rückfahrt nach Fuhlehörn

Besonders schön ist es, wenn man bei untergehender Sonne zurückfährt. Die Fahrt nach Südfall ist aber auf jeden Fall empfehlenswert, ganz gleich zu welcher Tageszeit. Sie vermittelt ein ganz anderes Bild vom Watt. Ich hoffe, dass ich davon etwas herüberbringen konnte.

Rückfahrt von Südfall zum Festland, © 2007 Volker Schmidt

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Eine Kutschfahrt durchs Watt, © 2007 Volker Schmidt