Mährry Christmas

Jahreswechsel 2009/10

 

Mittwoch, 23. Dezember 2009

Halbwegs gut durch- und angekommen umrunden wir gegen 19 Uhr den Tönninger Hafen, ganz langsam, man will ja nicht hineinrutschen. Eine Eisschicht liegt auf dem Wasser, darin festgefroren drei Kutter. Auf der anderen Hafenseite das Packhaus, vor 225 Jahren geboren und seit über hundert Jahren im Ruhestand fühlt es sich als Adventskalender illuminiert pudelwohl – eine gesunde Einstellung! In der Deichstraße liegt Schnee, nicht mehr ganz taufrisch, sondern zerfahren und eisverkrustet. Vorsichtig holpern wir darüber hinweg.

Klock söven sind wir daheim, drehen den Haupthahn der Wasserleitung auf und die Heizung hoch. Sie lässt sich regeln, ganz in Gegensatz zu Klimaanlage und Heizung unseres Autos, die seit 500 Kilometern der Meinung waren, bei einem Wetter wie diesem sei es das einzig Angemessene, mit voller Kraft heiße Luft in den Wagen zu blasen und jeden Versuch des Fahrers, sie herunterzuregeln oder gar abzuschalten als offensichtliche Fehleinschätzung zu ignorieren. Zum Glück sind bei unserem Gefährt die Seitenscheiben nicht in den computergestützten Regelungskreislauf integriert und lassen sich mechanisch runterkurbeln. Das brachte zwar Zug um die Ohren, verhinderte aber einen Hitzeschock.

*  *  *

HWir haben unseren Kram ausgepackt und eingeräumt, Spaghetti gekocht und gegessen und es uns gemütlich gemacht. Die leuchtenden Weihnachtspyramiden auf den Fensterbänken zeigen der Nachbarschaft, dass wir ‘wedder tohuus’ sind. Zu einer Flasche Wein lesen wir die Weihnachtspost und bauen die Karten und Briefe – 17 sind es bis jetzt – vor einem Tannenstrauch auf dem Tisch auf, vornweg die Karte von Lotta.

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Donnerstag, 24. Dezember 2009

Mährry Christmas wollen wir heute feiern, und so beaufsichtigt unser Reiseschaf Eileen Óg den Krippenaufbau. Doch nicht sie allein, denn es ist wieder einmal eine Gruppenreise geworden, und so sitzt die ganze Bande im Korbstuhl und mischt mit. Dieses Mal wollen sie die Krippe rechts neben dem Kamin statt davor haben, denn alle meinen, ein Kaminfeuer mache Weihnachten erst richtig gemütlich.

Gruppenreise, © 2009 Juergen Kullmann Krippe, © 2009 Juergen Kullmann

Alle – – – ? Nun, so ganz geheuer ist unserem Weihnachtsengel Erik der Vorschlag dann doch nicht, und auf sein Drängen wird die Krippe noch ein Stück weiter vom Feuer weg nach rechts gerückt. In einem Wald aus Holzscheiten, Tannenzweigen und Weihnachtsrosen schwebt er über allem, breitet seine Arme aus und ruft, wie er es bei seiner Fortbildung zum Weihnachtsengel gelernt hat,

Fürchtet euch nicht!

Erik ist also wieder mit dabei, obwohl — nun, wir hatten uns vor der Abreise überlegt, ob er nicht in Dortmund bleiben soll, um potenzielle Einbrecher zu verscheuchen usw., doch da hatte der Rest der Bande Einspruch erhoben. Erik müsse unbedingt mitkommen, hieß es, eine Krippe ohne Weihnachtsengel, das ginge nun aber wirklich nicht. Und davon ganz abgesehen: Nicht dass man an seinen Fähigkeiten zweifele, doch wenn er Einbrechern sein Fürchtet euch nicht! entgegenrufe, sei das vielleicht eher kontraproduktiv. Was uns dann überzeugt hat.

Mährry Christmas wollen wir feiern, und dazu gehört ein Festmahl. Was passt da besser als …, doch stopp, rasch noch den irreführenden Kassenbon mit dem Aufdruck ‘Lammfilet’ von der Tüte entfernen, ehe unsere mitreisenden Schafe auf falsche Gedanken kommen. Denn schließlich gibt es heute Wolfsteaks, wir sind doch keine Kannibalen!

Die brenzlige Situation ist ausgestanden und der Frieden auf Erden zwischen Mensch und Schaf gerettet. Rettung ist dann auch das Thema der Abendvesper in der nur durch Kerzen beleuchteten St. Laurentiuskirche am Markt, mit dem “Retter als Schietbüddel in der Krippe”, wie sich Pastor Dirk Römmer* auf der alten Kanzel ausdrückt. Und was wollen wir Menschen auch alles “retten” hakt er nach — Opel und die Banken, damit sie so weitermachen können wie bisher? Sind wir denn eigentlich noch zur retten?

* Nach seinem Theologiestudium arbeitete der 1943 als Sohn eines Gemüsebauern und einer Lehrerin geborene Dirk Römmer zunächst als Pastor in Hamburg, begann dann in den 1970er Jahren eine Autorentätigkeit in plattdeutscher Sprache, verfasste plattdeutsche Geschichten, übertrug Texte u.a. aus der Bibel ins Plattdeutsche und veröffentlichte sie auf Schallplatten. In den 1980er Jahren wurde er Gastgeber der NDR-Talkshow Talk op Platt.

1991 wechelte er in den kirchlichen Auslandsdienst nach Sidney und kehrte anschließend als Studentenpastor und Projektleiter an der Fachhochschule Westküste nach Deutschland zurück. Seit 2013 ist er Vorsitzender des Instituts für niederdeutsche Sprache mit Sitz in Bremen. Mit seiner Ehefrau Gisela Mester-Römmer, die eine Pfarrstelle an der St. Laurentius Kirche hat, lebt er als Pastor im Ruhestand in Tönning.

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Freitag, 25. Dezember 2009

Es regnet in der Nacht, und auch tagsüber zeigt sich das Wetter von seiner feuchten Seite. Der Schnee auf den Straßen und Wegen verwandelt sich in eine eisverkrustete Masse.

Wir entschleunigen unser Leben: Lange schlafen, lange frühstücken und Trödeln beim Tischabräumen. Draußen hat der Regen wieder eingesetzt. Wir schieben Erskine Childers Rätsel der Sandbank in den CD-Spieler, ein Hörspiel, dass ich vor einer Woche im Radio mitgeschnitten hatte. Nach einer Stunde ist das Rätsel gelöst und das Weihnachtsmenü wird zubereitet, was eine ganze Weile dauert, und eingenommen, was eine etwas kürzere Weile dauert. Es gibt Entenbrust mit Rosenkohl, letzterer nicht, wie es sich gehört hätte, aus Dithmarschen, sondern aus Holland.

De Namiddag hett just anfungen mit de Tiet to speelen – da fällt mein Blick auf die plattdeutsche Weihnachtsgeschichte der Husumer Nachrichten, die seit gestern hier auf einem Stuhl liegt und mit eben diesem Satz beginnt. “Der Nachmittag hatte gerade angefangen mit der Zeit zu spielen” – das klingt auch im Hochdeutschen sehr schön, ich sollte ihn mir für künftige literarische Ausschweifungen merken. Doch zurück zur Geschichte, ‘De Weihnachtshaas’, der Weihnachtshase heißt sie. Das klingt interessant, nur weigert sich der plattdeutsche Text, sich von einem Zugereisten in Nullkommanix erfassen zu lassen. Doch es regnet und wir haben Zeit, und wenn man die Wörter und Sätze hinreichend langsam zu sich nimmt und ihnen Zeit gibt, Assoziationen zu Bekanntem zu knüpfen, verraten sie ihren Sinn und man versteht die Erzählung von Sonja, der Weihnachtshäsin:

Wiehnachtsmänner, seggt Sonja, dörft sik vermehren so gau as Meerswiens, ahn dat en Behörde ingriepen geiht. Un Hasen ward enfach dootschooten. So geiht dat nicht! … *

… und so zieht sie im Weihnachtshasenkostüm mit einem Plakat Nicht schießen – ich bin ein Weihnachtshase! von Treibjagd zu Treibjagd, um die Jäger von ihrem grausamen Tun abzuhalten.

Eine schöne Geschichte, meint unser Reiseschaf Eileen Óg. Ob wir eigentlich wüssten, dass alle Schafe Weihnachtsschafe und somit tabu für Speisekarten sind? Sie zeigt auf Lottas Weihnachtskarte und wir lesen:

Mährry Christmas

* Weihnachtsmänner, sagt Sonja, dürfen sich vermehren so schnell wie Meerschweinchen, ohne dass eine Behörde eingreift. Und Hasen werden einfach totgeschossen. So geht das nicht!

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Sonnabend, 26. Dezember 2009

Das Wetter bleibt feucht und das Leben entschleunigt. Nach dem Frühstück machen wir einen Spaziergang zum Eiderufer, doch der Weg entlang des Wassers ist schneematsch-verkrustet und rutschig, so dass wir zum Hafen abschwenken und durch die Stadt schlendern bzw. schliddern.

Wieder daheim malt mien Deern das Vogelhaus an, und ich lese ihr derweil die ersten Kapitel aus Der Mord im Gurkenbeet* vor, in denen die elfjährige Flavia de Luce auf dem englischen Anwesen ihres Vaters zu ihrer großen Begeisterung ein Leiche im Gurkenbeet findet und sich daran macht den Mord aufzuklären.

Die Streusel schmecken süß, jedoch –
Viel süßer schmeckt der Boden noch,

lautet der Eingangsvers zu dem Roman, der im Original ‘The Sweetness of the Bottom of the Pie’ heißt. Wir lassen uns dazu die Krümel der Weihnachtsplätzchen schmecken und entkorken eine Flasche Rotwein.

* Alan Bradley: Der Mord im Gurkenbeet, Penhaligon Verlag, München 2009

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Sonntag, 27. Dezember 2009

Es regnet weiterhin, doch das Kaufhaus Stolz in St. Peter-Ording hat geöffnet. Wir kaufen Wäsche – the same procedure as every year. Nebenan bei Kloppenburg und im Sky-Markt halten wir Ausschau nach einem neuen Wasserkocher fürs Haus (beim alten ist der Ein-Aus-Schalter abgebrochen), finden jedoch nichts in gleicher Weise Solides, Hübsches und Preiswertes.

Zurück in Tönning versuchen wir vergeblich Frau W. zwecks Bezahlung unserer Schulden für die Hausverwaltung zu erreichen, werden statt dessen in die gute Stube unserer Nachbarn von der Süderstraße gewunken und bewundern ihren prächtigen Weihnachtsbaum. Der ein paar Häuser weiter ansässige renommierte Konstrukteur der nordfriesischen Kartoffelkanone und Aquavitkenner ist auch da, und wir tauschen Erinnerungen an die letzte Aquavitverkostung in den frühen Morgenstunden des ersten Januar 2009 aus – die näheren Einzelheiten tun hier nichts zur Sache.

Wieder im Huus wird eine leckere Lassagne zubereitet und verspeist. Anschließend begleitet uns der Rest des Weines auf einen englischen Landsitz zu den weiteren Kapiteln aus Der Mord im Gurkenbeet.

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Montag, 28. Dezember 2009

Der Regen hat sich verabschiedet, damit einhergehend ist es wieder kalt geworden. Am Bahnhof von St. Peter-Ording hatten wir den letzten freien Parkplatz ergattert und wandern nun über die Sandbank am Ende der Seebrücke, die einen seitlichen Ableger zur Arche Noah bekommen hat. Aber die Arche ist geschlossen.

SPODie Sonne scheint im flachen Winkel über den glitzernden Sand und die Wasserlachen. Ein Schild, das vor Strandseglern warnt, spiegelt sich in einer Pfütze, doch kein Strandsegler ist weit und breit zu sehen. Nur ein kleiner, behelmter Wattquereinfahrer zeigt auf seinem neuen, gelben Wattenbike stolz seine Künste. Vermutlich stand es unter dem Weihnachtsbaum.

Ob Neptun gerade seine Wäsche von den Meerfrauen waschen lässt? Dass er sich selbst zu solch niederen Tätigkeiten herablässt, ist wohl kaum anzunehmen. Das Meer schäumt und wirft den Schaum auf den Sand, wo er liegen bleibt bis er zerfällt. Man könnte ihn auch für Eischnee halten, doch ich verzichte auf den Geschmackstest. Wir bleiben diesseits des Spülsaums, während jenseits davon ein Pärchen in roten und schwarzen Gummistiefeln durch die auslaufenden Wellen der im Westen sinkenden Sonne entgegenschreitet.

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Dienstag, 29. Dezember 2009

Wir erwachen an einem sonnigen Morgen, also rasch raus auf den Eiderdeich, ehe es sich das Wetter anders besinnt. Im Gegenlicht glitzernde Schnee- und Eisreste im Schlick erzeugen bei ablaufendem Wasser die Illusion von hochgeschobenem Packeis. Doch bald legt sich Nebel über die Eider. Alles verschwimmt in weichen Tönen, Wasser und Himmel gehen grau ineinander über und von der Sonne bleibt nur ein heller, unscharfer Fleck.

Nebelwetter ist Schmuggelwetter, zumindest in romantischen Geschichten, in denen die Schmuggler kein Heroin für die Straßen der Großstadt, sondern das eine oder andere Fässchen Rum für ihr Dorf an Land bringen. Das Beste am Norden sind unsere internationalen Beziehungen, heißt es in einem witzigen Werbespot für den Norden, in dem in einer Nacht-und-Nebel-Aktion geistige Getränke aus einem Kahn gehievt werden. Auch das alte Zollamt am Tönninger Hafen liegt im Nebel, doch selbst bei strahlendem Sonnenschein hätten Schmuggler von dort nichts zu befürchten, denn das Gebäude steht leer und seit geraumer Zeit zum Verkauf.

Hafen im Nebel, © 2009 Juergen Kullmann

Wir sind wieder im Huus und wärmen uns den Rest der Lasagne vom Sonntag auf, eigentlich für gestern vorgesehen, doch da hatten wir nach einer Wanderung über die Sandbank in St. Peter-Ording gegessen. Ein lautes Piepen der Mikrowelle verkündet, dass es Zeit ist sie herauszuholen. Ob es auch weniger laut piepende für Restaurants gibt, damit die Gäste in der Gaststube nebenan dem Koch nicht auf die Schliche kommen? Mit oder ohne Piepen, die Lasagne schmeckt auch gemikrowellt fantastisch.

*  *  *

Wiehnacht in uns Huus ohne eine Baumarktbesuch? Dat geiht nicht, also auf nach Husum, wo wir bei Max Bahr für € 1,99 einen Metallwinkel zur Fixierung der auf dem Dachboden etwas schief hängenden Antenne erwerben. So wenig erleichtert war unser Portemonnaie schon lange nicht mehr nach einem Baumarktbesuch, vielleicht wird uns Huus ja langsam ‘fertig’. Im Elektromarkt nebenan gibt es dann noch einen Ersatz für den defekten Wasserkocher und für € 49 einen Sony-DVD-Spieler, falls Wind und Wetter einen Mieter unserer Ferienwohnung mal ans Haus fesseln sollten und er oder sie in der Bibliothek nichts zum Schmökern findet.

Nebelbänke und fast vorfrühlingshafte Lichtstimmungen wechselten sich auf der Hinfahrt nach Husum ab, doch jetzt auf der Rückfahrt zeigt sich das platte Land im Einheitsgrau. Wir machen einen Abstecher nach Friedrichstadt, Frau Pölkow nachträglich frohe Weihnachten und vorab alles Gute zum neuen Jahr zu wünschen. Wirklich nur deshalb? Fast überschwänglich begrüßt sie uns in ihrem Modestübchen. Ob sie ahnt, dass mien Deern das Geld, das wir im Baumarkt nicht ausgegeben haben, gleich bei ihr lassen wird?

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Mittwoch, 30. Dezember 2009

Der Nebel gestern war nicht ohne: Acht Menschen aus dem Watt vor St. Peter-Ording gerettet! lautet die Schlagzeile der heutigen Ausgabe der Husumer Nachrichten. Eine Mutter mit zwei kleinen Kindern und eine fünfköpfige Touristengruppe hatten die Sicht zum Ufer verloren. “So etwas habe ich noch nie erlebt, zwei solche Einsätze an einem Tag”, kommentierte der Einsatzleiter der DLRG. In beiden Fällen half das Handy: Mit einem Luftkissenfahrzeug fuhren die Retter das Watt ab, und die im Nebel Verirrten gaben per Handy durch, ob das Geräusch lauter oder leiser wurde.

Nicht nur Wattwanderer unterschätzen die Nordsee. Vor wenigen Tagen wurde in St. Peter-Ording auf einer Sandbank nur 500 Meter vom Strand entfernt ein toter Segler gefunden, kurz darauf sein Boot. Drei Tage zuvor war er von Ostfriesland aus nach Helgoland aufgebrochen, wo er nie ankam. Ein erfahrener Segler, heißt es, jedoch in einem Boot, das als nicht hochseetüchtig galt.

Genug der tragischen Zeitungsmeldungen. Mien Deern schreibt eine Brief:

Hildegard an T. & E.
Brief aus Tönning

“Moin tosamen —

Ein frohes und gesundes neues Jahr wünschen euch Hildegard und Jürgen. Wir sind jetzt seit einer Woche wieder im Huus, haben uns aber handwerklich nur wenig betätigt, heute Morgen zum Beispiel zwei Bilder aufgehängt, die etwas wackelige Antenne auf dem Spitzbogen fixiert und von der Treppe im Vorderhaus den Teppichboden samt Klebebandreste entfernt. Gestern Vormittag war unser Tischler da und wir hatten den Auftrag besprochen: Auf die alten Stufen setzt er neue aus 18 mm starkem Eiche-Leimholz. Die werden dann (oder sind schon) geölt. Das andere Holz wird weiß gestrichen mit einem friesengrauen Handlauf auf dem Geländer.

Während der vier Weihnachtsfeiertage hat es hier viel geregnet, so dass wir kaum spazieren gehen konnten. So haben wir es uns im Haus gemütlich gemacht. Seit Montag ist es draußen trocken und manchmal auch etwas sonnig. Ich hoffe, es bleibt noch ein paar Tage so. Die Zeit geht ja viel zu schnell vorbei.

Als wir Anfang November mit Tante G. und meiner Mutter ein paar Tage in Tönning waren, hatten wir in Elmshorn einen Stopp eingelegt und aus dem Rosenzentrum Kordes eine gelbe Stammrose mitgebracht. Offiziell heißt sie, glaube ich, Sunstar und wurde mir empfohlen, weil sie sehr robust sein soll. Sie steht jetzt links neben der Haustür, wo früher ein wildes Gestrüpp sein Unwesen trieb. Soweit sich das bislang beurteilen lässt, scheint es ihr dort ganz gut zu gefallen. Habe ihr heute den Jutesack abgenommen, den sie nach dem Einpflanzen sechs Wochen lang tragen sollte, und ihn zum Schutz vor Frost durch Tannenzweige ersetzt. Jürgen behauptet, die Rose habe ihm erzählt, sie würde eigentlich Deichgräfin heißen, nur hätte das ihr Züchter nicht kapiert.

Zu diesem Jahreswechsel bekommen wir keinen Nichten- oder Neffenbesuch. Letztes Jahr war unsere Nichte Natalie mit ihrer Freundin hier, es war die erste Bahnreise überhaupt für die beiden Mädchen. Wir hatten sie in Husum am Bahnhof abgeholt. Für uns war es spannend, wie wir mit zwei Jung-Teenagern klarkommen würden, doch es hatte ganz gut geklappt. Kein Besuch also in diesem Jahr, und so haben Jürgen und ich viel Zeit für uns. Auch Grippe und Hexenschuss sind bislang ferngeblieben, die die letzten zwei Weihnachten unsere treuen Begleiter gewesen waren.

Soviel für heute. Wir machen gleich noch einen kleinen Spaziergang zum Hafen, denn es scheint draußen freundlich zu werden. Wir wünschen euch ganz viel Gesundheit und fänden es toll, wenn ihr mal für ein verlängertes Wochenende zu uns nach Tönning finden würdet.

Tschüüs und viele Grüße an alle
von Hildegard”

So, eine Briefmarke drauf und ab geht die Post, dann kommt der Gruß vielleicht noch in diesem Jahr an. Und jetzt auf zum Hafen, die drei Kutter fotografieren, die nun endlich einmal in der Sonne liegen.

Hafen Tönning, © 2009 Juergen Kullmann

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Donnerstag, 31. Dezember 2009

Am Meer auf der Sandbank von St. Peter-Ording. Es ist kälter und frostiger als am Montag. Ein eisiger Wind weht um die Nasen der Touristen, die zu dem für heute Abend angekündigten Sylvesterfeuerwerk eintrudeln. Auf halber Strecke der Seebrücke, etwa 500 Meter vom Strand entfernt, wird es gerade aufgebaut. Im Ort selbst ist das Abbrennen von Feuerwerkskörpern wegen der Reetdachhäuser verboten.

Dass Einsteins Relativitätstheorie hochaktuell und die Abbrenndauer eines Reetdaches ein Funktion des Ortes ist, hatten wir vor fünf Jahren gelernt, doch offensichtlich hängt auch die Brennbarkeit von Reet an sich von den Ortskoordinaten ab. In den amtlichen Erlassen kommt dies zum Ausdruck. So muss auf den Halligen ein Abstand von mindestens 300 Metern zum Warftfuß eingehalten werden, während man auf Pellworm bis zu 300 m an das Dach selbst ran darf. Die Reetdächer auf Föhr sind weit weniger sensibel, denn hier darf bereits im Abstand von 200 m ein Feuerwerk gezündet werden, und in Viöl reicht laut Gemeindeverordnung eine Distanz von 180 Meter.

Erinnerungen an den Sylvesterabend

Beginnen wir mit dem Menü, es gibt Kartoffelsalat mit Gehacktesbällchen. Bei der Menge, die sich aus den Zutaten entwickelt, hätten wir die halb Tönning verköstigen können. Das Volumen, das sich aus

1 kl. Glas Salatmayonnaise, 1 Dose Joghurt, 1 Zwiebel, 2 Frühlingszwiebeln, 2 Tomaten, 2 Stangen Staudensellerie, 2 Äpfel, 3 saure Gurken, 4 Eiern und 6 Kartoffeln

entwickelt, erinnert an die wundersame biblische Brotvermehrung. Vielleicht hätte man die Kartoffeln weglassen sollen, der Salat schmeckte auch ohne sie. Die Bällchen folgen meinem Rezept und bekommen Feta in die Fleischmasse – und zu wenig Salz ab, meint mien Deern.

Wen kann man eigentlich für das Sylvesterprogramm der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender haftbar machen? Ganz eingeschlafen sind wir dann doch nicht, so dass wir den Jahrewechsel mitbekommen. Außerdem ballert es gewaltig in der Süderstraße. Also begeben wir uns mit Sektgläsern in der Hand und einer Flasche Mumm Extra Dry unter dem Arm hinaus, stoßen mit den H’s, A’s und W’s auf das neue Jahr an und warten darauf, dass Holger seine nordfriesische Kartoffelkanone hervorholt. Die zündet man nur mit einer Runde Line Aquavit für die Beobachter. Hatte unser Nis Puk nicht noch eine Flasche? So laufe ich zurück ins Huus und luchse sie ihm ab. Anschließend versammelt sich das Publikum bis vier Uhr in der Früh um Holgers Küchentisch.

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Freitag, 1. Januar 2010

Wir haben keinen dicken Kopf! Grau bewölkt mit hell leuchtenden Flecken zeigt sich der Himmel über der Eider, während wir dick verpackt von Katingsiel über den Deich zum Sperrwerk wandern. Der Fluss unter diesem Himmel ist eine Eiswüste.

Über Nacht ist es wieder kälter geworden, Raureif knirscht unter den Schuhen. Die Straße ist weit weg, wir lauschen in die Stille und halten inne —– die Eider singt. Es muss der unter dem Eis fließende Strom sein.

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Sonnabend, 2. Januar 2010

Ein erster Besuch in diesem Jahr in Husum. Zwei tolle Aufnahmen des Binnenhafens im Nachmittagslicht. Wir essen im Ratskeller.

Hafen Husum, © 2010 Juergen Kullmann

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Sonntag, 3. Januar 2010

Der Abreisetag ist gekommen – und Tönning ein Wintermärchen. Noch rasch ein paar Fotos von Tönning, uns Huus und dem Hafen im Schnee.

Tönning, Süderstraße, © 2010 Juergen Kullmann Hafen Tönning, © 2010 Juergen Kullmann

Auf dem Weg nach Dortmund ein Stopp bei Lotta in Stuhr, deren Weihnachtswunsch Mährry Christmas uns diese Woche begleitet hatte.

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Unser Leben in ‘Uns Huus’: Jahreswechsel 2009/10
Bearbeitungsstand 29.07.2015