Ein Besuch der Hallig Hooge

von Volker Schmidt

 

Einschiffen

Eine der bekanntesten Halligen ist die Hallig Hooge; vom Königspesel auf der Hanswarft hat wohl fast jeder Nordseeurlauber schon einmal gehört. Eilige können ab Strucklahnungshörn auf Nordstrand mit der Adler Express nach Hooge fahren. Das Schiff schafft die Strecke Nordstrand–Hooge in etwas mehr als einer Stunde. An Stelle einer Schiffschraube besitzt es einen so genannten Jetantrieb, eine Art Düsenantrieb für Wasser. Damit ist die Adler Express 30 Knoten schnell, das sind 52 km/h. Zudem ermöglicht die Bauweise einen vergleichsweise niedrigen Tiefgang, so dass das Schiff auch bei Niedrigwasser keine Umwege fahren muss.

Morgenstimmung am Deich von Schlüttsiel, © 2007 Volker SchmidtFür alle, die es etwas gemächlicher mögen, ist der Hafen Schlüttsiel die richtige Startadresse. Von hier aus kann man z.B. mit der Seeadler gemütlich nach Hooge schippern. Wer bei der ersten Tour an Bord sein will, muss recht früh aus den Federn, denn an einigen Tagen geht es bereits um 9:00 Uhr los. Es empfiehlt sich, mindestens eine halbe Stunde vor der Abfahrt im Hafen sein, denn sonst sind die besten Plätze weg. Da unsere Anfahrt wesentlich besser als geplant geklappt hatte, waren wir bereits kurz nach acht in Schlüttsiel. Direkt vor dem Deich findet man Parkplätze, und so früh am Morgen sind immer welche frei. Von diesen Parkplätzen führt eine Straße über den Deich in den kleinen Hafen. Auf der Deichkrone hatten einige Schafe gerade ihr Frühstück beendet und genossen mit uns die Aussicht auf das Wattenmeer und die Halligen. Aus der Ferne grüßten die Halligen Gröde, Oland und Langeneß, von weiter draußen die Insel Föhr.

Die Seeadler, © 2007 Volker SchmidtDa wir so früh vor Ort waren, konnten wir uns noch etwas im Hafen umsehen. An seiner Ostseite liegt das Siel, das dem Hafen den Namen gegeben hat. Siele sind Schleusen, die sich bei Ebbe öffnen und bei Flut schließen. So wird das Wasser vom Speichersee hinter dem Deich bei Ebbe in die Nordsee geleitet, und das Meerwasser kann bei Flut nicht ins Binnenland fließen.

Dann war es Zeit an Bord zu gehen. Wir suchten uns schöne Plätze auf dem Oberdeck, um während der Fahrt einen guten Ausblick zu haben. Kurz darauf tauchten drei Busse auf und es wurde rappelvoll.

Die Fahrt durch das Wattenmeer

Um 9:00 Uhr wurden die Leinen losgemacht, und es ging zwischen Gröde und Oland hindurch ins Wattenmeer. Die Stimmung am Morgen ist etwas ganz Besonderes, da nimmt man das frühe Aufstehen gerne in Kauf. Entlang der Hallig Langeneß schipperte die Seeadler gen Westen. Dabei wird einem erst klar, wie lang sich diese Hallig hinzieht, es sind um die 10 km. Stolze 16 Warften sind über sie verteilt, auf denen mehr als 100 Menschen leben.

Langeneeß, © 2007 Volker Schmidt

Die Hallig Langeneß existiert in ihrer heutigen Form erst seit 1869. 1802 gab es hier noch drei Halligen, Langeneß im Osten, Nordmarsch im Westen und Butwehl im Südosten. Dann wuchsen sie durch Dammbau und Lahnungen zum heutigen Lageneß zusammen. Schaut man nach backbord, so liegt dort die Insel Pellworm. Bei guter Sicht erkennt man den Turm der alten Kirche und den Leuchtturm.

Wer die Tour macht, sollte das Fernglas nicht vergessen. So kann man beim Passieren von Langeneß die Warften genauer in Augenschein nehmen, vielleicht auch hier und da einen Seehund entdecken. An jenem Morgen war gerade Ebbe und auf einer Sandbank neben der Fahrrinne sonnten sich einige dieser Meeresbewohner. Der Kapitän machte einen kleinen Umweg, damit wir die Tiere aus der Nähe betrachten konnten – für meine Kamera aber immer noch nicht nahe genug. Irgendwie ist das Teleobjektiv stets eine Nummer zu klein!

Wenn sich das Schiff dem westlichen Zipfel von Langeneß nähert, tauchen halblinks Warften aus dem Meer auf: die Hallig Hooge. Nun ist es nicht mehr weit. Im Nordwesten zeigt sich der Leuchtturm von Amrum.

Ankunft auf Hooge

Nach dem Anlegen ergießt sich der Touristenstrom auf die Hallig. Wie so oft gilt auch hier: immer erst die anderen rennen lassen, denn man versäumt nichts außer dem Gedränge. Es gibt drei Möglichkeiten, die Hallig vom Anleger aus zu erkunden: zu Fuß, mit einem Leihfahrrad und ganz bequem mit der Kutsche. Wir entschieden uns für die dritte Möglichkeit. Der Vorteil dieser Art von Halligerkundung ist, dass man vom Kutscher viel Interessantes über das Eiland erfährt. Man sollte sich aber für eine Kutsche entscheiden, bei der man die Landschaft nicht durch ein Plastikfenster betrachten muss, am besten für eine mit hochgeklappten Seitenplanen. So kann man ungehindert fotografieren und sich die gesunde Seeluft um die Nase wehen lassen.

Die Kirchwarft

Die Rundfahrten laufen im Grunde immer gleich ab. Nach dem ‘Aufladen’ der Touristen geht es zunächst an der Backenswarft vorbei zur Kirchwarft. Die Fahrt führt durch saftige Wiesen, die von Entwässerungsgräben durchzogen sind. Da möchte man gerne Pferd, Kuh oder Schaf sein. Die Gräben dienen dazu, das Wasser nach einem Landunter wieder dorthin zu befördern, wo es hingehört – in die Nordsee. Landunter kommt auf Hooge nicht so oft wie auf den anderen Halligen vor, da Hooge einen Sommerdeich besitzt, der gegen kleinere Hochwasser schützt.

Hooge, Kirchwarft, © 2007 Volker SchmidtAuf der Kirchwarft (s. rechts) hat man ausreichend Zeit, sich die Johanniskirche und den Friedhof anzusehen. Einen Kirchturm gibt es nicht, dafür aber einen ‘Glockenstapel’, in dem, wie der Name sagt, die Glocke hängt. Glockenstapel sind kleine hölzerne Türme, oft niedriger als die Kirchen und baulich nicht mit ihnen verbunden. Man findet sie auf den Halligen und im Marschenland, wo der Untergrund einen schweren Steinturm oft nicht tragen würde. Daneben fällt auf, dass das Pfarrhaus viel größer als die Kirche ist. In dem wohnt bis heute der Pastor und betreut von dort aus seine Schäfchen.

Kirchenfenster auf Hooge, © 2007 Volker SchmidtSt. Johannis wurde im Jahr 1637 geweiht. Die Einrichtung ist jedoch um einige Jahre älter und soll aus der 1624 errichteten Kirche von Osterwohld auf Alt-Nordstrand stammen, ein Ort, der 1634 durch eine Sturmflut zerstört wurde. Vor allem die Fenster und die Kanzel, von der dann und wann auch auf Plattdeutsch gepredigt wird, sind sehenswert. Unter den Sitzbänken gibt es nur einen Sandboden. Das hat nichts mit Armut zu tun, sondern einen eher praktischen Grund: Wenn bei Landunter die Warft überspült wird, kann das Wasser anschließend besser ablaufen.

Auf dem kleinen Friedhof steht neben den Gräbern der Hooger ein einfaches Holzkreuz. Das ist die letzte Ruhestätte der Heimatlosen, unbekannte, von den Fluten angespülte Tote.

Auf der Hanswarft

VHanswarft, © 2007 Volker Schmidton der Kirchwarft geht es zum zweiten Ziel der Rundreise, der Hanswarft. Die ist so etwas wie das Zentrum von Hooge. Hier findet man den Königspesel, das Sturmflutkino, das ‘Erlebnis-Zentrum Mensch und Watt’ sowie ein Heimat- und Halligmuseum. Der Kutscher lädt seine touristische Fracht vor der Warft ab und vereinbart einen Zeitpunkt für die Rückfahrt. Den sollte man nicht verpassen, denn ist die Kutsche erst weg, dann schafft man es zu Fuß nicht mehr rechtzeitig zur Anlegestelle und darf auf Hooge übernachten. Unser erster Besuch galt dem Königspesel, bei den vielen aufgestellten Hinweisschildern kaum zu verfehlen.

Manchmal muss man etwas warten, denn bei weniger als fünf bis sechs Teilnehmern gibt es keine Führung. Der Pesel ist die gute Stube der Friesen und wird nur zu besonderen Gelegenheiten genutzt. Der Pesel der Hanswarft heißt Königspesel, weil in ihm 1825 der dänische König Friedrich VI übernachtete, als er nach einem Besuch der Hallig wegen einer Sturmflut nicht mehr aufs Festland zurückkam.

Königspesel, © 2007 Volker SchmidtAber auch sonst hat das ehemalige Haus des Kapitäns Tade Hans Bandix einiges zu bieten. Die Holzdecke ist bemalt und die Wände schmücken holländische Fliesen, wobei sich der Hausherr auf einem Kachelbild über dem Ofen verewigt hat. Auf der linken oberen Kachel kann man seinen Namen lesen. Die Einrichtung des Pesels stammt aus vielen Ecken der Welt, denn der Kapitän und seine Vorfahren waren weitgereist und hatten so manches zusammengetragen. Auf einem Schrank neben dem Ofen sind altfranzösische Malereien zu sehen. Die Taufschale des Hauses wurde in Japan hergestellt und stammt aus dem 15. Jahrhundert. Im Wandschrank stehen rund 300 Jahre alte Tassen, daneben versilberte Kaffee- und Teekannen sowie eine Uhr aus dem Jahre 1667 – ein Produkt der Globalisierung, würde man heute sagen, denn das Gehäuse und das Werk kommen aus England, während die Verzierungen in Japan angefertigt wurden. Der Knüller aber sind zwei Teller aus dem Jahre 1066. Ihre Echtheit sei nachgewiesen und urkundlich bestätigt, versichert der Führer auf die ungläubigen Fragen der Besucher.

Der Königspesel ist eine Zeitreise in die Vergangenheit. Nach der Führung können einige weitere Räume besichtigt werden, die den Besuchern vor Augen führen, wie man früher auf Hooge lebte. Auch ein Besuch des Sturmflutkinos lohnt sich. Der Film lässt den Betrachter hautnah spüren, was ‘Landunter’ wirklich bedeutet. Für Binnenländer wie uns ist es schon erschreckend, wie der Blanke Hans zuschlagen kann. Im Urlaub sieht man ja meist nur die ruhige Seite der Nordsee.

Halliglandschaft, © 2007 Volker SchmidtDas Erlebniszentrum Mensch und Watt präsentiert eine Menge Infos zum Thema Wattenmeer. Ein Gezeitenaquarium zeigt den Ablauf von Ebbe und Flut. Im Heimat- und Wattmuseum gibt es neben einer alten Friesenstube Funde aus dem Watt zu bestaunen, die von untergegangenen Warften stammen. Wenn dann noch Zeit ist, empfiehlt sich ein Rundgang um die Hanswarft. Von hier sieht man alle anderen Hooger Warften. Schaut man von der Stelle, an der der Kutscher seine Gäste bei der Ankunft aussteigen lässt, in Richtung Anleger, so sieht man direkt neben ihm die Backenswarft und links von ihr die Kirchwarft. Im Nordwesten liegen einige Warfen hintereinander. Die der Hanswarft am nächsten gelegene ist die Ockelützwarft, links daneben findet sich die Warft Mitteltritt. Rechts dahinter erkennt man dann die Lorenzwarft, es folgen die Volkerts-, Ipkens- und schließlich die Westerwarft. Hinter den Warften lässt sich die Insel Amrum mit ihrem Leuchtturm ausmachen.

Geht man um die Hanswarft herum, sieht man im Südwesten einen Pfahlbau. Dort wohnt der Vogelwart von Süderoog. Diese Hallig ist Schutzzone 1 und darf nur mit Genehmigung betreten werden. Bei Ebbe kann man sie von Hooge aus durch das Watt erreichen. Die letzte der Hooger Warften, die Ockenswarft, liegt im Südosten. Dahinter ist Pellworm gut zu erkennen.

Dann wurde es auch schon Zeit, zu unserer Kutsche zurückzukehren. Auf der Rückfahrt erfuhren wir von der Kutscherin, was es auf der Hallig alles nicht gibt. Die Liste ist recht lang: keinen Geldautomaten, keinen Arzt, keinen Supermarkt, kein Kino und vieles mehr. Aber von Hooge wegziehen wollen die hier lebenden Menschen um nichts auf der Welt, kein Wunder, bei der wunderschönen Landschaft!

Von der Backenswarft zur Anlegestelle

ABackenswarft, © 2007 Volker Schmidtn der Backenswarft stoppt die Kutsche kurz. Wer mag, kann hier aussteigen und zu Fuß zum Anleger laufen. Wir haben das Angebot wahrgenommen und einen Rundgang um die Warft gemacht. Dabei sollte man auf den rot markierten Wegen bleiben, um die Privatsphäre der Bewohner nicht zu stören. Wer möchte schon, dass einem alle Welt durch die Fenster schaut? Auf der Backenswarft geht es wesentlich ruhiger als auf der Hanswarft zu, und die Häuser stehen enger beisammen.

Wir hatten noch etwas Zeit und fanden einen Weg durch die Wiesen zum Sommerdeich. Dort steht eine Bank, auf der man die Stille und die Aussicht auf das Watt genießen kann. Auch sieht man so als erster das Schiff, das die Tagesgäste wieder aufs Festland bringt. Nach einiger Zeit tauchte die Seeadler am Horizont auf. Das war das Zeichen, uns langsam zum Anleger zu bewegen, denn wir wollten auch während der Rückfahrt einen schönen Platz auf dem Oberdeck haben. An Bord der Seeadler ging es dann in umgekehrter Richtung an Langeneß vorbei nach Schlüttsiel, doch der Kapitän hatte noch eine Überraschung auf Lager. Da gerade Flut war, machte er einen kleinen Umweg und die Seeadler fuhr ganz nah an Gröde heran. So konnten wir uns auch diese Hallig noch aus der Nähe betrachten.

Dann nahmen wir endgültig Kurs auf den Hafen von Schlüttsiel, wo unser Auto gut durchgegart auf uns wartete. Ein schöner Tag auf Hallig Hooge, der mit einer ruhigen Heimfahrt zu Ende ging!

Abschied von Hooge, © 2007 Volker Schmidt

top down


Ein Besuch der Hallig Hooge, © 2007 Volker Schmidt