Auf ein neues …

Jahreswechsel 2014/15

 

Freitag, 19. Dezember 2014

Vier Stunden lang und vierhundert Kilometer weit sind wir durch den Regen gefahren, dann taucht hinter Itzehoe ein blauer Streifen am Horizont auf. Ein Nachmittag für Sonnenuntergangsaufnahmen bei Schülpersiel, doch müssen wir uns erst einmal im Huus einrichten. ‘Auf ein neues …’ schreibe ich über diese Notizen zum Jahreswechsel, da mir nach so vielen Jahreswechseln an der Küste nichts Originelleres mehr einfällt. Dann schauen wir mal, wie das mit dem ‘ins neue Jahr rutschen’ so klappt.

Gegen halb fünf sind wir in Tönning. Auf dreizehn Grad war die Heizung für die Zeit unserer Abwesenheit programmiert gewesen, wir reiben uns die Arme warm. Sie wird auf Normalbetrieb umgestellt und zur Unterstützung der Kaminofen in Betrieb genommen. Bis alles ins Haus geräumt und verteilt ist, dauert es eine ganze Weile. Uns jetzt noch mal für den Wochenendeinkauf ins Auto zu setzen, haben wir keine Lust mehr. So machen wir uns zu Fuß zu Ratjens am Markt auf, ein paar Kleinigkeiten gegen das Verhungern zu erstehen. Es beginnt wieder zu regnen.

Zum Abendessen gibt es Schinkenbrote mit Spiegelei, dazu die angebrochene Flasche Weißwein von gestern Abend, die den Weg mit nach Tönning gefunden hatte. Der Kaminofen strahlt ein wohlige Wärme aus, die sich bei offener Tür bis ins Obergeschoss ausbreitet. In allen Fenstern zur Straße leuchten die Weihnachtspyramiden, und das erste Programm bringt den kleinen Lord Fauntleroy mit Sir Alec Guinness als grantigen alten Lord. Etwas sehr sonntagsschulhaft ist die Geschichte des edlen Knaben nach einem Roman von Mrs. Hodgon-Burnett; da ist uns die borstige, kantig-eigenwillige Mary Lennox aus ihrem Geheimen Garten sympathischer. Man findet sie auch in Nis Puks Bibliothek.

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Sonnabend, 20. Dezember 2014

Es regnet, womit schon fast alles zum Tag gesagt ist. Wir decken uns im Sky-Markt mit Speis & Trank für die Feiertage ein, dann geht es zum Weihnachtsmarkt ins Packhaus. Mein Mädchen erwirbt eine lange blaue Weste. Am Stand der freiwilligen Feuerwehr stärken wir uns mit zwei Stückchen Torte und kaufen die zuvor besichtigte Tischlampe aus Treibholz dann doch nicht.

Nicht, dass Tönning nur einen Weihnachtsmarkt hätte. Gegenüber der Kirche gibt es in einem Hinterhofschuppen noch einen kleinen privaten, davor werden Weihnachtsbäume verhökert. “Verkaufen Sie auch Tannenzweige?” Der Baumverkäufer weist auf einen Haufen abgeschnittener Äste: “Sucht euch raus, was immer ihr wollt.” Geld will er dafür nicht, und so hinterlassen wir ihm zwei Silberlinge für einen Becher Glühwein.

Weihnachtsengel Erik, © 2014 Jürgen KullmannAm Nachmittag bauen wir unsere Krippe vor dem Weihnachtswald im Wohnzimmer auf, über ihr schwebend Erik, unser Weihnachtsengel. Zu guter Letzt fehlt noch etwas Tannengrün, schließlich will Erik sein ‘Fürchtet euch nicht!’ nicht vor einer weißen Wand verkünden. Also ziehen wir noch einmal zum ‘Lütten Weihnachtsmarkt’, erwerben, um nicht als Schnorrer dazustehen, einen Teelichthalter aus Treibholz und lassen weitere Tannenzweige mitgehen.

Zum Nachtmahl versorgt uns eine Nachbarsfamilie mit Speis & Trank. Noch gestern Abend war der Hausherr zu uns hereingepoltert und hatte uns für heute zu einem Vorweihnachtsgulasch eingeladen. Unser Kalender ‘Das Beste am Norden’ war rein zufällig an seinem Wiegenfest (von dem wir nichts wussten) bei ihm eingetrudelt und prompt als Geburtstagsgeschenk interpretiert worden. Eine Einladung für heute Abend also. ‘Abend’ interpretiere ich mit 18 Uhr, mien Deern mit 19 Uhr, und so einigen wir uns auf halb sieben als Mittelwert.

Die Dame des Hauses fragt überrascht, was wir denn so früh wollen, der Hausherr sei gerade erst mit dem Kartoffelschälen fertig – ein Riesenpott. Ein ebenso großer Topf mit Gulasch steht bereits auf dem Herd, und ein dritter gleichen Formats wartet auf Nudeln. Wir versuchen, uns an den Vorbereitungen zu beteiligen, sitzen ansonsten herum und schnacken. Um acht Uhr treffen die ersten der übrigen Geladenen ein und es wird aufgetischt. Bis zehn Uhr werden es immer mehr. Alle kennen sich und schnacken über Personen und Ereignisse, die uns fremd sind. Bis auf die Zimmerin kennen wir, abgesehen von unseren Gastgebern, niemanden. Ich komme mir etwas verloren vor; mien Deern hat da keine Probleme und schafft es immer wieder, sich einzubringen. Kurz vor Mitternacht gehen wir heim.

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Sonntag, 21. Dezember 2014

Es regnet den lieben langen Tag – gibt es irgendwo noch einen weiteren überdachten Weihnachtsmarkt? Im Kohlosseum zu Wesselburen, sagt ein Veranstaltungsplan, mit einem Flohmarkt als Zugabe! Dithmarschen ist Europas größtes Kohlanbaugebiet und die Stadt Wesselburen, in der dieses Kohl-Museum in den historischen Gebäuden einer alten Sauerkrautfabrik sein Zuhause hat, sieht sich als seine Wiege. Kalt und zugig ist es in den beiden etwas abseits stehenden Flohmarkthallen, sehr viel molliger hingegen auf dem Weihnachtsmarkt im Hauptgebäude, wo es sich bei dem rauen Wetter gemütlich stöbern lässt. Beim Stöbern bleibt es dann auch.

Auf der Heimfahrt kehren wir einen Kilometer vor dem Eidersperrwerk im Koog Café von Weselburenerkoog ein – von und nicht vom, denn es handelt sich um einen Ortsnamen. Warm und lauschig ist es in der ehemaligen Dorfschmiede bei diesem Schietwedder; es gibt leckere Torten, und da es noch recht früh ist, geht es gelassen und beschaulich zu. Wir lassen uns viel Zeit, mien Deern blättert in einer Uralt-Ausgabe des Landgangs. Der Bürgermeister der Gemeinde, er steht heute mal nicht hinter dem Kuchentresen, schaut mit einem noch ganz jungen Hund vorbei, der sich von den Gästen bewundern und kraulen lässt. Ich schreibe ein paar Zeilen in dieses Notizbuch. Zuvor hatten wir im Hofladen nebenan einen riesigen Rotkohl (Stückpreis zwei Euro) und fünf Äpfel erstanden.

Der Rotkohl bleibt für Weihnachten liegen, heute wird Grünkohl gekocht – auch aus der Region. Einen so frischen und leckeren gibt es im Ruhrgebiet nicht. Es langt auch noch für morgen.

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Montag, 22. Dezember 2014

Schwein gehabt — wenngleich nicht für alle Beteiligte. Nicht für das Lamm, dessen Schulter mien Deern vom Wochenmarkt mit nach Hause bringt. Eigentlich wollte man in der Oldensworter Landschlachterei in diesem Jahr keinem Tier mehr an den Kragen, sagte die Verkäuferin, doch wegen der großen Nachfrage …

Wichtigster Veranstaltungspunkt des Tages ist ein Termin bei den Goldmann Küchewelten in Meldorf – die Website beeindruckend, der Laden winzig. Lohnt es sich überhaupt, da reinzugehen? Wir hatten uns angemeldet, da muss man Wort halten. Davon abgesehen regnet es schon wieder, und drinnen wird es warm und trocken sein. Die einzige Person im Küchenstudio ist der Inhaber, der uns namentlich anspricht – mit weiteren Kunden scheint er also nicht zu rechnen. Unsere Website mit den Fotos unserer aktuellen Küche hat er auch schon studiert.

Mien Deern fährt fort

Die Ausstellung umfasst drei Küchenserien, eine gefällt mir auf Anhieb: Modell Bristol vom Hersteller Häcker aus Ostwestfalen. Eine Landhausküche mit massiven Holzfronten, die (aufgebaut ist sie in rot) auch in weiß erhältlich ist. Weiß könnte uns gefallen. Zum angebotenen Modell gibt es sehr schöne Pilaster, seitliche Stollen, die einzelne Elemente hervorheben. Was wir allerdings nicht wollen, ist die klassische Kranzleiste, hinter der sich – von unten nicht sichtbar – rohe Holzkanten und Schrauben verbergen. Wegen der offenen Treppe muss die Küche auch beim Blick von oben gut aussehen, zum Beispiel durch eine zu ihrem Stil passende Abdeckplatte auf den Hängeschränken mit einer den Küchenfronten angepassten, gefrästen Vorderkante. Der Experte hält sich bedeckt ob der Realisationsmöglichkeit dieser – wie es scheint – für ihn sehr ungewöhnlichen Vorgabe.

Davon abgesehen ist der Service des Hauses nicht so umfassend, wie es die Website suggeriert. Man vermittelt zwar Handwerker wie Fliesenleger, Elektriker und Installateur, agiert aber nicht, wie es die Beschreibung vermuten ließ, als ‘Generalunternehmer’, der alle Arbeiten koordiniert und zeitlich aufeinander abstimmt. Sollte dann die Küche kommen und der Installateur mit den Wasserleitungen noch nicht soweit sein, wäre das ‘unser Problem’. Doch immerhin macht der Mann einen sympathischen Eindruck, und so zeigen wir ihm unsere mit einem Online-Kücheplaner erstellte Skizze. Bis Mitte Januar will er einen maßstabsgetreuen Entwurf schicken.

Zwischendurch kommen zweimal Einheimische in den Laden. Keine Kunden, denn sie bringen Weihnachtsgrüße und Geschenke.

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Dienstag, 23. Dezember 2014

Regen in der Husumer Variante. Zu Mittag speisen wir in Dragseths Gasthof, 1584 erbaut ist es der älteste der Stadt. Wer weiß, ob nicht schon Theodor Storm hier einkehrte. Es schmeckt soweit ganz gut, doch eine überschäumende Begeisterung ob ihrer Edelfischpfanne lässt sich dem Gesicht meines Mädchens nicht ablesen.

Was nehmen wir mit nach Tönning zurück? Den Regen sowie zwei Zitronen, eine Paprika und etwas Käse aus dem Bio-Markt an der Roten Pforte.

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Mittwoch, 24. Dezember 2014

Weitere Weihnachtspost trifft ein, dazu ein ominöses Paket ohne Absenderangabe mit einer Flasche Tullamore Dew aus Irland. Unsere Kartenpräsentation auf dem Küchentisch nimmt immer mehr Raum ein:

Weihnachtspost © 2014 Juergen Kullmann

Eine zweistündige Trockenperiode führt uns auf den Eiderdeich. Die Sonne hat sich über die Dithmarscher Bauernrepublik verkrochen, blinzelt aber hin und wieder durch ein Wolkenloch zu uns nach Nordfriesland herüber. Als es wieder duster wird, wandern wir heim und bereiten den Kartoffelsalat für das Heilig-Abend-Menü vor. Den gibt es, mit Bockwürstchen versteht sich, nach dem Weihnachtsgottesdienst. Wer von den Kirchgängern nicht selbst kocht, wandert über den Marktplatz zum Griechen hinüber, ins einzige Restaurant, das heute Abend in Tönning geöffnet ist.

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Donnerstag, 25. Dezember 2014

Ein neuer Tag beginnt mit einem neuen Regen: Lange schlafen, lange frühstücken – heute erscheint keine neue Zeitung, da muss die von gestern noch einmal ran – und lange telefonieren. Das ominöse Paket, das uns gestern erreichte, kam von Klaus, stellt sich im Verlauf des Gespräch heraus.

Weihnachtspost © 2014 Juergen Kullmann

Nach einem Spaziergang in einer Regenpause wird gekocht, Rheinischer Sauerbraten trifft auf Rotkohl. Von dem Dithmarscher Rotkohlkopf könnte man die komplette Deich und Süderstraße gleich mitverkosten. Rotes in flüssiger Form kam zuvor auch in den Sauerbraten, der seit Freitagabend in einer Marinade aus einer Flasche Rotwein, Balsamessig, Zwiebeln, Möhren und allerlei Gewürzen baden durfte.

Auch das Essen zieht sich lange hin. Am Abend heißt es dann Murderer Ahoi mit Miss Jane Marple.

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Freitag, 26. Dezember 2014

Es ist kalt geworden; die Nacht war sternenklar, und der Vormittag trocken. Wir fahren ins Katinger Watt, parken vor dem Aussichtsturm am Schafsberg und wandern über den Eiderdamm zum Sperrwerk.

Die Brücke über den Siel wurde erneuert, doch unmittelbar vor dem Eidersperrwerk geht es nicht mehr weiter, kein Trampelpfad mehr, der ums WSA-Gelände herum zur Straße führt. Der Landbesitzer hat ihn umgepflügt und den Zugang mit einem Zaun verrammelt. Nix von wegen Gewohnheitsrecht, da bleibt künftig nur noch, ein paar hundert Meter vor dem Ende der Sackgasse auf der Deichkuppe, der Querweg durchs Katinger Watt zum Café Mahre, der heute jedoch völlig verschlammt und nach dem tagelangen Dauerregen unpassierbar ist.

Eidermündung, © 2014 Jürgen KullmannAuf dem Rückweg treffen wir Maler Dircks aus Vollerwiek, der mit seinem Bruder eine kleine Radtour unternommen hat. Ein wahrer Hüne: wo andere seiner Zunft auf eine Leiter steigen müssen, langt er noch so hin, und doch hätte ich ihn nicht erkannt. Mien Deern rettet mich vor der Blamage.

Derweil wird es wieder duster und es ist Schluss mit dem freundlichen Wetter. Um fünf Uhr wandern wir zu Weihnachtliche Musik und Geschichten in die Kirche. Kreiskantor Christian mit grauer Maestro-Mähne spielt Klavier, Ursche – mien Deern meint, sie hat etwas von *** – mit steinerner Miene die erste und einzige Geige. Erst beim Schlussapplaus entspannen sich ihre Gesichtszüge.

Zwischen der Musik gibt es zwei neue Episoden aus der Reihe ‘Geschichten aus dem Pastorat zu Tönning’, erzählt von der Frau Pastorin. Es handelt sich um Kapitel 5 und 6, die Kapitel eins bis vier gab es zu Weihnachten 2012 und 2013, doch hatte ich sie leider nicht zu Papier gebracht.

Kapitel 5 spielt überwiegend im Schlafzimmer des Pastorenehepaars und man erfährt, warum der Herr Pastor im Bett eine Sonnenbrille trug. In Kapitel 6 berichtet die Pastorin, wie sie beinahe eine Unterschlagung begangen und ‘das Paket von Anita’ nicht an ihren Gemahl weitergeleitet hätte, eine Anita, “die nie hätte konfirmiert werden dürfen.” Dann singen wir wieder ‘mit den Engeln Gott to Ehr’ Övert Feld an’n hogen Heben* und wandern heim.

* Siehe 26. Dezember 2013

 
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Unser Leben in ‘Uns Huus’: Jahreswechsel 2014/15
Letzte Bearbeitung 28.01.2021