Willkommen in Tönning

und an der Westküste Schleswig-Holsteins

 

Clarum inter Germanos
Frisiorum nomen

Cornelius Tacitus (55 – 115)
Römischer Geschichtsschreiber

„Tönningen, Hauptort der Landschaft, kleine See- und Handelsstadt an der Mündung der Eider, 5 Meilen von Schleßwig; hat einen guten sichern Haven, ist in 8 Quartiere abgetheilt, mit 15 Straßen, hat 1 Kirche, 1 lateinische, 1 Bürgerschule, 2 Armenhäuser, 1 Leihaus, 420 Wohnhäuser und gegen 2000 Einwohner, welche meist vom Handel leben.“

Theophil Friedrich Ehrmann, 1809

Tönning, © 1998 Juergen Kullmann
Tönning, historischer Hafen
Tönning, Eiderpromenade, © 2007 Juergen Kullmann
Die Eiderpromenade
Die Eider im Dezember, © 2000 Juergen Kullmann
Die Eider im Winter
Westerhever, © 1997 Juergen Kullmann
Leuchtturm Westerheversand
Roter Haubarg, © 2007 Juergen Kullmann
Witzwort, Roter Haubarg

Heute ist Tönning ein Bade- und Luftkurort an der Eidermündung und mit rund 5.000 Einwohnern die größte Stadt der Eiderstedt-Halbinsel. Die frühere Kreisstadt, die heute zum Kreis Nordfriesland gehört, verfügt über einen kleinen Fischerei- und Sportboothafen von einst großer wirtschaftlicher Bedeutung, denn über die Eider und den 1784 eröffneten Schleswig-Holsteinischen Kanal fuhren die Schiffe von der Nordsee bis in die Ostsee. Das historische Packhaus am Hafen, der als der schönste der Westküste gilt, zeugt noch heute von dieser großen Zeit. Zum Stadtgebiet gehört das durch den Bau des Eidersperrwerks entstandene Naturschutzgebiet Katinger Watt mit dem einzigen größeren Waldgebiet der schleswig-holsteinischen Marsch.

Erstmals erwähnt wurde die Stadt im Jahr 1187 als Tunnighen Haeret (Harde von Tunnighen), doch bereits im Jahr zuvor wurde die spätere St. Laurentius-Kirche gegründet. Das Stadtrecht erlangte Tönning zusammen mit Garding am 12. Oktober 1590, noch 13 Jahre vor Husum.

Wappen der südlichsten Stadt NordfrieslandsAus „Tunnighen“ (Tun = niederdeutsch: Zaun) dürfte sich der heutige Ortsname entwickelt haben. Das hier links abgebildete Stadtwappen Tönnings verweist hingegen auf eine hübsche Legende, derzufolge einst nach einer schweren Sturmflut ein Schwan auf einer Tonne angetrieben und dies als Zeichen Gottes für das Zurückweichen des Wassers angesehen wurde.

Bis 1864 gehörte die Stadt zum dänischen Gesamtstaat, so dass es nicht wundert, dass es hier noch heute eine dänische Schule gibt. Gleichzeitig war die Eider von 1035 bis zu seinem Erlöschen im Jahr 1806 die Nordgrenze des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, dem Tönning nicht angehörte.

Auf die Dithmarscher am südlichen Eiderufer waren die nordfriesischen Tönninger nicht immer gut zu sprechen – schließlich hatten diese die Stadt 1402 (nachdem die Eiderstedter sieben Dithmarscher Frauen geraubt und in der Tönninger Kirche eingesperrt hatten) niedergebrannt. Die Brücke, die die B 5 heute über den Fluss führt und die Halbinsel Eiderstedt mit Dithmarschen verbindet, wurde erst 1973 dem Verkehr übergeben; bis dahin musste man einen langen Umweg über Friedrichstadt machen. Das Verhältnis zwischen Dithmarschern und Nordfriesen charakterisierte der langjährige, zur Jahrtausendwende verstorbene ehemalige Leiter des Dithmarscher Landesmuseums in Meldorf Nis R. Nissen mit folgendem Witz:

“Wissen Sie, warum die Nordfriesen Deiche bauen? – Damit sie nicht ins Meer laufen, wenn sie betrunken sind. Und warum die Dithmarscher Deiche bauen? – Damit kein Nordfriese, der trotzdem ins Meer gelaufen ist, in Dithmarschen an Land kommt.”

Toenninger SeelenverkaeuferVielleicht aber hat es noch einen anderen Grund, dass die Dithmarscher aus Heide die Nordfriesen nicht an Land kommen lassen wollen. Nach den jahrhundertelangen Streitigkeiten versuchen diese bis heute, ihrer Seelen habhaft zu werden, und verkaufen sie, wenn ihnen das gelingt, montags am Rande des Tönninger Wochenmarktes. Doch reich können die Tönninger Seelenverkäufer bei € 1,69 pro Stück damit wohl nicht werden.

Die einstige Kreisstadt mit ihrem historischen Hafen ist ein guter Ausgangspunkt, um die Halbinsel Eiderstedt mit der großen Sandbank von St. Peter-Ording, dem Leuchtturm von Westerhever, dem Roten Haubarg von Witzwort und vielen weiteren Attraktionen zu erkunden. Auch zum ‘Holländerstädtchen’ Friedrichstadt, der gar nicht so ‘grauen Stadt am grauen Meer’ Husum und den Ablegestellen der Fähren zu den vor der Nordseeküste liegenden Halligen ist es nicht weit.

Wer sich für historische Kirchenbauten interessiert, findet in Eiderstedt mit achtzehn zu neun Gemeinden gehörenden Kirchen so viele in einem so kleinen Umkreis wie in kaum einer anderen Region. Glaubt man der Eiderstedter Chronik von 1104 bis 1547, begann die Geschichte dieser Kirchengemeinden vor 900 Jahren mit einem Mord. Demnach hatten im Jahr 1113 die Männer der Familie Boyens in Garding ihren Kirchenherrn Harmen Lütke erschlagen, weil er zu spät zum Gottesdienst kam. Darauf entzog man ihnen das Vorschlagsrecht zur Besetzung der Pfarrstelle, und es wurden sechs Kapellen gebaut, aus denen sich die heutigen Gemeinden entwickelten. Eine schöne Geschichte, doch war es vermutlich mehr der aufkommende Reichtum auf der Halbinsel, der dazu führte, dass jedes Dorf seine eigene Kirche haben wollte. Auch waren wegen des unwegsamen Geländes lange Fußmärsche zu den Gottesdiensten nicht machbar.

Bahnhof Toenning 1922Will man auf das Auto verzichten, ist man mit der Eisenbahn in 25 Minuten in St. Peter-Ording und in 19 Minuten in Husum. Die Bahn verkehrt im Stundentakt, und es gibt hier sogar noch einen Bahnhof mit Fahrkartenschalter. Die von 1852 bis 1854 unter dem dänischen König Frederik VII erbaute Strecke Tönning-Husum-Flensburg war die erste in Schleswig-Holstein und bescherte dem Ort einen Kopfbahnhof. So wie auf der obigen Postkarte aus dem Jahr 1922 sieht er heute allerdings nicht mehr aus.

In Tönning ist mit dem 1999 eröffneten und 2003 durch ein Walhaus mit dem 17,5 m langen Original-Skelett eines gigantischen Pottwals erweiterten Multimar Wattforum das größte Informationszentrum für den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer beheimatet. Seepferdchen, Plattfische, Katzenhaie und viele andere Meerestiere schwimmen in 11 Groß- und 17 Sonderaquarien mit einem Gesamtvolumen von 150 m³, während Aktionsstationen auf vielfältige Weise informieren. Als mittlerweile fünfte umfangreiche Erweiterung entsteht dort zur Zeit ein neues Ausstellungsgebäude und eine Freianlage für Fischotter.

Hafen TönningWas spricht sonst noch für Tönning? Vielleicht, dass der Engländer Edward Frederick Knight, als er im Jahr 1887 auf einer Segelreise in der Stadt an der Eidermündung an Land ging, „sehr beeindruckt von den gebildeten jungen Frauen des hübschen alten Städtchens Tönning“ war. Sein Reisebericht findet sich in der Bibliothek von uns Huus. Sechs Jahre zuvor, im Juni 1881, legte der Franzose Jules Verne mit seiner Dampfyacht St. Michel im Hafen von Tönning an und deckte sich für die Weiterfahrt die Eider hoch und durch den alten Eiderkanal in die Ostsee mit Proviant ein.

Uns Huus, © 2007 Juergen Kullmann
Uns Huus in Tönning 2011
Deichstrasse 1911, Archiv Peter Krüger Tönning
Deichstr. 1911. Quelle: AK-Archiv Peter Krüger

Uns Huus, ein denkmalgeschütztes Stadthaus aus dem vorletzten Jahrhundert, das noch viel von seinem historischen Charme bewahrt hat, liegt in zentraler und zugleich ruhiger Lage in der Deichstraße No. 5. Von hier aus ist man zu Fuß in fünf Minuten am Hafen oder an der Eiderdeich-Promenade und in zehn Minuten am Multimar Wattforum. Vergleicht man die heutige Straße mit der Ansichtskarte darunter aus dem Jahr 1911, wird man feststellen, dass sich ihr Charakter in hundert Jahren kaum geändert hat.

Und wenn Theophil Friedrich Ehrmann in seiner oben zitierten einleitenden Bemerkung aus dem Jahr 1809 auch nichts von Gasthäusern schreibt, findet man heute doch genug davon – auch wenn es weniger als die 51 Schankwirte sind, von denen um das Jahr 1840 der damalige Bürgermeister Friedrich Wolfhagen in seiner Beschreibung der Stadt berichtet. Eine Auflistung von Restaurants, in denen man heute in Tönning essen und trinken kann, findet man hier bei Wikivoyage.

Wer dann aus dem Urlaub nach Hause kommt und seine Freunde ein wenig rätseln lassen will, erzählt Ihnen, dass er ihn auf der Cimbrischen Halbinsel zwischen dem Mare Frisicum und der Baltischen See, verbracht hat. Oder auch an der Südsee – denn so wird die Nordsee von den Grönländern genannt.

Hafen Tönning, © 2015 Hildegard Vogt-Kullmann

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